Gedenken. Der große New-Work-Begründer und Arbeitsphilosoph Frithjof Bergmann ist im Alter von 90 Jahren verstorben. Wie hat er die New-Work-Bewegung geprägt? Freund*innen, Wegbegleiter*innen und Vertreter*innen der New Work Community erinnerten sich im New Work Talk.
Er war ein Wegbereiter, ein Wegbegleiter. Ein Visionär, ein Utopist und Philosoph, aber auch ein unermüdlicher Macher und Praktiker. Er hat vor fast 40 Jahren Entwicklungen vorweggenommen, die heute tatsächlich alles andere als utopisch sind. Frithjof Bergmann, der "Urvater" der New-Work Bewegung ist am Pfingstmontag, dem 24. Mai 2021, nach langer Krankheit im Alter von 90 Jahren verstorben.
Vor fast 20 Jahren als junge Studentin hatte ich das erste Mal von dem charismatischen, aber etwas verschrobenen Professor gehört, der so selbstverständlich und einleuchtend erklärte, dass wir irgendwann unsere Alltagsgegenstände via 3D-Drucker ausdrucken könnten. Meine Freunde und ich waren halb beeindruckt, und halb grinsten wir über diese Vorstellung, aber mit dem Nachsatz: "Irgendwann werden wir sagen, er hatte recht!" Und so ist es auch. Heute können die Pizza, das Billigauto, das Wohnhaus ausgedruckt werden, wenn auch noch nicht serienreif, aber das ist nur eine Frage der Zeit und der Nachfrage.
Ein Jahrzehnt später, als ich längst als Karriere-Journalistin tätig war und mich mehr und mehr für alternative Arbeits- und Organisationsformen abseits von Hierarchien und 9-to-5 zu interessieren begann, stolperte ich über den New Work Begriff – und damit unweigerlich über Frithjof Bergmanns These, dass Arbeit viel mehr sei als nur Erwerbstätigkeit. Schon vor fast 40 Jahren hatte Frithjof Bergmann die Frage „Was willst du wirklich, wirklich?“ ins Zentrum von New Work gestellt. Er mahnte, Arbeit vom Lohnsystem zu entkoppeln und sah in der High-Tech-Selbstversorgung und der Community Production den Ausweg aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit von einem kapitalistischen System, das auf Effizienz und Profitmaximierung getrimmt war und dabei den Menschen oft übersah. Und er gab der Arbeit ihren Sinn zurück: Über Arbeit könnten wir Wirksamkeit erfahren, könnten einen Mehrwert für uns und andere schaffen, indem wir tun, "was wir wirklich, wirklich wollen", und könnten uns unabhängiger machen vom Tropf des Lohnsystems. Beim Philosophieren beließ es der Austro-Amerikaner, der im Alter von 18 Jahren allein in die USA ausgewandert war, nicht: Bergmann wollte bei General Motors in Flint im Jahr 1982 der drohenden Massenarbeitslosigkeit der halben Kleinstadt entgegenwirken und gründete das erste Zentrum für Neue Arbeit, in dem die Fließbandarbeiter ihren beruflichen Wünschen und sich selbst näher kamen. Einige machten sich selbstständig, gründeten Cafés und Yogastudios. New Work als schmuckes Asset für die bestens ausgebildete Elite der Wissensgesellschaft war ihm fremd. Ihn fand man vor allem bei den Underdogs, bei den Armen und Chancenlosen, bei jenen, die der Politik und den Wirtschaftsbossen dieser Welt kein müdes Wimpernzucken wert waren.
Er arbeitete mit Gemeinschaften in armen Dörfern auf der ganzen Welt, mit delinquenten Jugendlichen in New York, mit Langzeitarbeitslosen und Häftlingen. Er gründete weltweit solche Zentren. Doch welche Ansätze, Übungen und Hilfestellungen er konkret anwendete, darüber blieb er vage. Er setzte auf das Ausprobieren und die Kraft der Gemeinschaft. Und er konstatierte eine „Armut der Begierde", die uns davon abhielte, danach zu suchen, was wir „wirklich wirklich wollen." Letztlich war er der Grund, dass ich mich selbstständig gemacht habe, mein kleines Magazin für Sinnfinder*innen und Muthaber*innen gegründet habe, um zu zeigen: Arbeit kann viel mehr sein als nur Lohnerwerb. In Zeiten der Technologisierung und Automatisierung liegt hier ein großes Potenzial für die Menschheit, ein integrales digital-humanistisches System zu erschaffen, das Wertschöpfung für Individuum und Gemeinschaft gleichermaßen bietet und gerade dadurch nachhaltiges Wachstum erzeugt.
In Memoriam Talk für Frithjof
Gemeinsam mit Romy Sigl und Niki Skene habe ich daher unseren New Work Talk auf Clubhouse einem In Memoriam Frithjof Bergmann gewidmet. Freund*innen, Wegbegleiter*innen und Menschen, die er nachhaltig geprägt und inspiriert hat, kamen spontan und sagten ohne Umschweife zu, um gemeinsam an diesen außergewöhnlichen Menschen, Vordenker und Macher zu erinnern. Denn auch mithilfe einer digitalen App ist es möglich, näher zusammenzurücken und einen gemeinsamen emotionalen Moment des Erinnerns, der Würdigung und des Abschieds zu schaffen. Wir möchten diesen besonderen New Work Talk gerne als Podcastfolge (siehe unten) mit dir teilen und freuen uns, wenn du Frithjof Bergmann so ein Stück näher kommst.
Sein seit rund 20 Jahren guter Freund Andreas Gebhardt erinnerte im Talk an Bergmann als den Mann mit dem schweren Koffer und der Reise-Espressomaschine, mit der er „unglaublichen starken Kaffee“ braute und der "niemals schlief": „Schon am frühen Morgen begann er, seine Ideen zu diskutieren“, erzählte Andreas Gebhardt. "Sein wacher Geist flog stets voraus, die Entwicklungen kamen hinterher, für ihn aber stets zu langsam", trug er vor. "Er war technikaffin, wie man es von einem Philosophen nicht erwartete. Er zog seine Zuhörer unmittelbar in den Bann, verlangte ihnen aber auch viel ab." Und: „Ich ertappte mich dabei, dass ich Angst bekam, dass er den Faden verliert – aber das geschah nie“, so Andreas Gebhardt, der bis vor kurzem als Professor für Mechatronik und Maschinenbau an der FH Aachen lehrte. Bergmann habe stets volksnah gesprochen, ganz ohne akademisches Gehabe, aber er habe auch Menschen vor den Kopf gestoßen mit seiner höflichkeitsfreien Direktheit, er konnte zornig werden, richtig zornig, "aber niemals wurde er aggressiv". Auch das wird in dieser Erinnerungsstunde immer wieder deutlich werden, Frithjof Bergmann war einer auf Augenhöhe, stets gegen Dogmen und Halbwahrheiten und für die Menschen, ein ausgesprochener Menschenfreund, der, so schien es, den Menschen in die Seelen zu blicken vermochte. Einer, der bis zuletzt ein unbändiges Lebensfeuer in sich hatte, einen unbezwingbaren Drang, etwas zu bewegen und zu bewirken auf dieser Welt. "Ich hab doch noch mein ganzes Leben Zeit", soll er kurz vor seinem Tod verschmitzt gesagt haben, wie ihn Stephan Frederik Becker später zitieren wird. Hier geht es zum Nachruf von Andreas Gebhardt
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Er war ein Wegbereiter, ein Wegbegleiter. Ein Visionär, ein Utopist und Philosoph, aber auch ein unermüdlicher Macher und Praktiker. Er hat vor fast 40 Jahren Entwicklungen vorweggenommen, die heute tatsächlich alles andere als utopisch sind. Frithjof Bergmann, der "Urvater" der New-Work Bewegung ist am Pfingstmontag, dem 24. Mai 2021, nach langer Krankheit im Alter von 90 Jahren verstorben.
Vor fast 20 Jahren als junge Studentin hatte ich das erste Mal von dem charismatischen, aber etwas verschrobenen Professor gehört, der so selbstverständlich und einleuchtend erklärte, dass wir irgendwann unsere Alltagsgegenstände via 3D-Drucker ausdrucken könnten. Meine Freunde und ich waren halb beeindruckt, und halb grinsten wir über diese Vorstellung, aber mit dem Nachsatz: "Irgendwann werden wir sagen, er hatte recht!" Und so ist es auch. Heute können die Pizza, das Billigauto, das Wohnhaus ausgedruckt werden, wenn auch noch nicht serienreif, aber das ist nur eine Frage der Zeit und der Nachfrage.
Ein Jahrzehnt später, als ich längst als Karriere-Journalistin tätig war und mich mehr und mehr für alternative Arbeits- und Organisationsformen abseits von Hierarchien und 9-to-5 zu interessieren begann, stolperte ich über den New Work Begriff – und damit unweigerlich über Frithjof Bergmanns These, dass Arbeit viel mehr sei als nur Erwerbstätigkeit. Schon vor fast 40 Jahren hatte Frithjof Bergmann die Frage „Was willst du wirklich, wirklich?“ ins Zentrum von New Work gestellt. Er mahnte, Arbeit vom Lohnsystem zu entkoppeln und sah in der High-Tech-Selbstversorgung und der Community Production den Ausweg aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit von einem kapitalistischen System, das auf Effizienz und Profitmaximierung getrimmt war und dabei den Menschen oft übersah. Und er gab der Arbeit ihren Sinn zurück: Über Arbeit könnten wir Wirksamkeit erfahren, könnten einen Mehrwert für uns und andere schaffen, indem wir tun, "was wir wirklich, wirklich wollen", und könnten uns unabhängiger machen vom Tropf des Lohnsystems. Beim Philosophieren beließ es der Austro-Amerikaner, der im Alter von 18 Jahren allein in die USA ausgewandert war, nicht: Bergmann wollte bei General Motors in Flint im Jahr 1982 der drohenden Massenarbeitslosigkeit der halben Kleinstadt entgegenwirken und gründete das erste Zentrum für Neue Arbeit, in dem die Fließbandarbeiter ihren beruflichen Wünschen und sich selbst näher kamen. Einige machten sich selbstständig, gründeten Cafés und Yogastudios. New Work als schmuckes Asset für die bestens ausgebildete Elite der Wissensgesellschaft war ihm fremd. Ihn fand man vor allem bei den Underdogs, bei den Armen und Chancenlosen, bei jenen, die der Politik und den Wirtschaftsbossen dieser Welt kein müdes Wimpernzucken wert waren.
Er arbeitete mit Gemeinschaften in armen Dörfern auf der ganzen Welt, mit delinquenten Jugendlichen in New York, mit Langzeitarbeitslosen und Häftlingen. Er gründete weltweit solche Zentren. Doch welche Ansätze, Übungen und Hilfestellungen er konkret anwendete, darüber blieb er vage. Er setzte auf das Ausprobieren und die Kraft der Gemeinschaft. Und er konstatierte eine „Armut der Begierde", die uns davon abhielte, danach zu suchen, was wir „wirklich wirklich wollen." Letztlich war er der Grund, dass ich mich selbstständig gemacht habe, mein kleines Magazin für Sinnfinder*innen und Muthaber*innen gegründet habe, um zu zeigen: Arbeit kann viel mehr sein als nur Lohnerwerb. In Zeiten der Technologisierung und Automatisierung liegt hier ein großes Potenzial für die Menschheit, ein integrales digital-humanistisches System zu erschaffen, das Wertschöpfung für Individuum und Gemeinschaft gleichermaßen bietet und gerade dadurch nachhaltiges Wachstum erzeugt.
In Memoriam Talk für Frithjof
Gemeinsam mit Romy Sigl und Niki Skene habe ich daher unseren New Work Talk auf Clubhouse einem In Memoriam Frithjof Bergmann gewidmet. Freund*innen, Wegbegleiter*innen und Menschen, die er nachhaltig geprägt und inspiriert hat, kamen spontan und sagten ohne Umschweife zu, um gemeinsam an diesen außergewöhnlichen Menschen, Vordenker und Macher zu erinnern. Denn auch mithilfe einer digitalen App ist es möglich, näher zusammenzurücken und einen gemeinsamen emotionalen Moment des Erinnerns, der Würdigung und des Abschieds zu schaffen. Wir möchten diesen besonderen New Work Talk gerne als Podcastfolge (siehe unten) mit dir teilen und freuen uns, wenn du Frithjof Bergmann so ein Stück näher kommst.
Sein seit rund 20 Jahren guter Freund Andreas Gebhardt erinnerte im Talk an Bergmann als den Mann mit dem schweren Koffer und der Reise-Espressomaschine, mit der er „unglaublichen starken Kaffee“ braute und der "niemals schlief": „Schon am frühen Morgen begann er, seine Ideen zu diskutieren“, erzählte Andreas Gebhardt. "Sein wacher Geist flog stets voraus, die Entwicklungen kamen hinterher, für ihn aber stets zu langsam", trug er vor. "Er war technikaffin, wie man es von einem Philosophen nicht erwartete. Er zog seine Zuhörer unmittelbar in den Bann, verlangte ihnen aber auch viel ab." Und: „Ich ertappte mich dabei, dass ich Angst bekam, dass er den Faden verliert – aber das geschah nie“, so Andreas Gebhardt, der bis vor kurzem als Professor für Mechatronik und Maschinenbau an der FH Aachen lehrte. Bergmann habe stets volksnah gesprochen, ganz ohne akademisches Gehabe, aber er habe auch Menschen vor den Kopf gestoßen mit seiner höflichkeitsfreien Direktheit, er konnte zornig werden, richtig zornig, "aber niemals wurde er aggressiv". Auch das wird in dieser Erinnerungsstunde immer wieder deutlich werden, Frithjof Bergmann war einer auf Augenhöhe, stets gegen Dogmen und Halbwahrheiten und für die Menschen, ein ausgesprochener Menschenfreund, der, so schien es, den Menschen in die Seelen zu blicken vermochte. Einer, der bis zuletzt ein unbändiges Lebensfeuer in sich hatte, einen unbezwingbaren Drang, etwas zu bewegen und zu bewirken auf dieser Welt. "Ich hab doch noch mein ganzes Leben Zeit", soll er kurz vor seinem Tod verschmitzt gesagt haben, wie ihn Stephan Frederik Becker später zitieren wird. Hier geht es zum Nachruf von Andreas Gebhardt
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Thomas Schneider, der als Frithjof Bergmann als Filmemacher bei einem Interview kennenlernte und der so tief bewegt war, dass er das NANK:collaboratory Lab in Wien gründete, welches auf Bergmanns Buch „Neue Arbeit - Neue Kultur" (NANK) fußt, konnte krankheitsbedingt leider nicht dabei sein. Er verabschiedete sich mit einem schönen Text vom Freund und Inspirator Bergmann, den ich vorlesen durfte. Und auch hier schwingt mit: die Trauer ist groß, ein wunderbarer Mensch ist gegangen – einer, der auch emotional tief beeindruckt und geprägt hatte:
Frithjof das Leben ohne Dich wird ein anderes sein..
Ein Leben mit Dir hieß 4 Augen zu zweit.
Es war die Art, wie Du die Welt gesehen hast, die mich auf diesen weisen, starken Mann aufmerksam gemacht hat.
Es war Deine Liebe zu den Menschen, die meine Freundschaft begründet hat.
Es war die Art wie Du das Stärken und das Nähren in den Mittelpunkt gestellt hast, wofür ich Dich geliebt habe.
Es ist ein Raum für Dich bereit in mir und ich werde ihn mit Dir bewohnen.
Auch Andy Mayer, sein Wegbegleiter und guter Freund der letzten Jahre und sein Partner und Pressesprecher bei New Work Global, war leider gesundheitlich verhindert und richtete Grüße aus.
Jenseits der Altersgrenzen lernte Coworking-Salzburg-Gründerin Romy Sigl, damals 34, im Jahr 2016 den dann 84-jährigen Frithjof Bergmann als Freund und Mentor bei ihrem Besuch in Ann Harbour kennen: Sie hatte von diesem spannenden Mann gehört und beschloss ihn zu interviewen (das dreiteilige, sehr informative und bisweilen amüsante YouTube-Interview findest du hier).
„Unser Aufeinandertreffen war ein Feuerwerk“, erzählte sie im Talk. Er fand seine Thesen in ihrer Arbeit wieder, dem Coworking Salzburg, den sie vor zehn Jahren gegründet hat. Und sie war beeindruckt, "dass er schon 1982 diese Idee mit dem Zentrum für Neue Arbeit gegründet hat.“ Sie trafen einander ein Jahr später am Campingplatz in Berlin wieder, und Frithjof sagte, dort treffe man viel spannendere Menschen als im Hotel. Mit ihnen plauderte er über Metaphysik und seinen Freund Einstein. Ihr Mailaustausch hielt sich über viele Monate.
Hier geht es zu Romys ganz persönlichen Erinnerungen an Frithjof.
Julia von Winterfeldt, Gründerin der ganzheitlichen Beratung Soulworx, erzählte von ihrer Begegnung mit Frithjof Bergmann in der Speakers Lounge hinter den Kulissen der New Work Experience, der großen Xing-Konferenz 2017 in Berlin. „Ich saß da wie ein kleines Mädchen, das seinen Rockstar kennenlernte“, erzählt sie. Fast missionarisch die Arbeit neu gestalten wollen, war ihr wichtig gewesen, als sie Soulworx gründete, „für mich standen Menschlichkeit und Sinnhaftigkeit im Vordergrund“. Das fand sie auch in Bergmanns Wirken wieder. Besonders beeindruckte sie „die Frage nach dem wirklich-wirklich-Wollen – etwas, das wir auch in unserer Arbeit fortführen".
Stephan Frederik Becker hat gemeinsam mit Leonie Müller in Berlin das Zentrum für Neue Arbeit angelehnt an Bergmanns Zentren gegründet und war bis vor kurzem mit dem Philosophen in Kontakt. „Bis 2017, als man an mich herantrat, ein Buch über New Work zu schreiben, wusste ich ehrlich gesagt nichts über ihn, außer dass er den Begriff New Work geprägt und erdacht hat", erzählte er. Frederick selbst wollte als Gymnasiallehrer einen Systemwandel gerade auch im Bereich Bildung mitgestalten und fand den Ansatz Bergmanns sehr wertvoll. „Es gibt viele Menschen, die daran arbeiten, dass gute Arbeitstechniken und mehr Menschzentrierung geschieht, aber ich stelle in Unternehmen und auch in Schulen und Universitäten fest: vieles passiert einfach nicht", sagte er. Das Zentrum zu gründen, lag auf der Hand, denn: „so viele aktive Zentren gibt es leider aktuell nicht". Mit dem Zentrum wollen sie Multiplikator*innen sein und sich mit anderen Zentren vernetzen. Den Weg müsse man nun ohne Frithjog gehen: „Wir hatten uns Entlastung von ihm erhofft, jetzt müssen wir es mit der Hilfe von allen hier und unserem Netzwerk schaffen", so Stephan Frederik Becker.
Nils Schnell hat mit seiner Frau Anna nicht nur die Beratungsagentur MowoMind gegründet, sondern auch die Welt bereist, um Unternehmen mit modernen Arbeitskulturen unter die Lupe zu nehmen. Wenige Wochen vor seinem Tod sprachen sie mit ihm und er meinte: „I am full of energy". Beide wurden nachhaltig von Frithjof Bergmann inspiriert, „gute Arbeit sollte für jeden möglich sein, das hat er uns dick hinter die Ohren geschrieben". (Leider wurde Nils' Satz aufgrund eines technischen Problems nicht ganz aufgezeichnet).
Markus Väth, Sachbuchautor und Gründer der Plattform Humanfy.de und Initiator der New-Work-Charta fand sich auch persönlich in Frithjof Bergmanns Erfahrungen wieder: „Frithjofs Werk und Person gehörten stark zusammen. Bevor er Philosophieprofessor wurde, wollte er Schauspieler werden, war Tellerwäscher, Preisboxer. Da habe ich mir erlaubt, mich persönlich in ihm wiederzuerkennen. Das war sehr mutmachend. Ich war ebenso wie er ein Personaleralbtraum: ich war Therapeut, Jeansverkäufer, Profimusiker. Irgendwann dachte ich mir, da bist du doch nicht der Verlierer der Arbeitsgesellschaft, weil du soviel ausprobierst." Der Weg zu dem „Was ich wirklich, wirklich will"sei, so sagte Frithjof Bergmann, stets verbunden mit dem Dialog mit anderen und dem Ausprobieren von Tätigkeiten, um sich selbst und seinen Stärken und Interessen auf die Schliche zu kommen. Sein wohl größter Verdienst: „Er holt Arbeit aus dem Kontext der Erwerbsarbeit", sagte Markus Väth.
Arbeitsmarktexperte Max Neufeind und ehemaliger Berater des Bundesministeriums für Arbeit in Deutschland, hatte Frithjof Bergmann im Rahmen der Xing-Konferenz New Work Experience 2017 interviewt – ein Interview, das fast zwei Stunden länger dauern sollte als geplant, „zu einer Uhrzeit, wo die Leute Party machen wollten", erzählte er. Die Leute blieben aber sitzen, "das hat mich sehr beeindruckt, weil das auch zwei sehr unterschiedliche Welten waren": der alte Mann, der über halbseidenes New Work im Minirock auf der Bühne der Konferenz gesprochen hatte und die Zuhörerschaft, die zum Großteil in ebensolchen Unternehmen arbeitete. Max Neufeind hatte sich schon im Rahmen seiner Promotion mit Frithjof beschäftigt und würdigte ihn für seine Intention, den Menschen im Zeitalter der Technologisierung in den Fokus zu rücken und für seinen Mut, das System radikal zu hinterfragen, sich aber auch auf den Diskurs mit der Wirtschaft einzulassen und dort anzusetzen, wo gerade Bewegung möglich war. "Auch seine Bereitschaft, ein ganzes intellektuelles Leben an seiner eigenen Idee zu arbeiten und darauf ohne Verbitterung zu warten, bis die Zeit für seine Idee gekommen ist", war für ihn bemerkenswert.
Für den Zukunftsforscher und Aktivisten Franz Nahrada war Bergmann ein „Mythos, dem ich seit den 1990ern nachgejagt bin", jemand, der Menschen in eine soziale, gestaltungs- und bedürfnisorientierte Beziehung bringen wollte. „Der Mythos war: beim Hightech-Selfproviding bauen sich die Menschen ihre eigenen Hochhäuser", so Nahrada. Auch für ihn selbst ging es um die Arbeitsmittel, um das gemeinsame Herstellen, "ein wunderschönes Zitat von ihm war: wir müssen alle Bauern werden". Seine Idee trägt auch Franz Nahrada mit seinem Global Village Projekt in die Welt, nämlich, „dass wir Menschen auch im ländlichen Raum in Dörfern wohnen, uns wieder mit der Natur verbinden und dennoch alle Annehmlichkeiten des Urbanen mitnehmen können".
Sein Werk und Wirken wird unvergessen sein. Jetzt liegt es an Menschen wie uns, die es in seinem Sinne weitertragen und weiterentwickeln – ganz ohne Dogmen.