FEMALE EXPERTS. Die neue Arbeitswelt ruft nach selbstverantwortlichen Gestalter*innen. Cathrin Niehues stärkt mit Mindfulness und Positiver Psychologie das Self-Leadership bei Führungskräften und Mitarbeitenden.
Tell me what you want, what you really, really want“ fordert das Plakat im Büro von Cathrin Niehues. Was die Spice Girls und Frithjof Bergmanns New Work Bewegung als Kernfrage gemeinsam haben, versucht die Mindful Self-Leadership-Expertin mit RealGoodStuff auch in ihren Coachings aus ihren ambitionierten und zielstrebigen Klient:innen – meist Führungskräfte und Fachexpert*innen – herauszukitzeln. Denn das Mehr an Verantwortung, neue Rollen und Anforderungen, viel Arbeitslast und der ständige Wandel mit digitalen Tools und neuen Arbeitsweisen fordert viele heraus. Daher sagt Cathrin: „Noch nie war Self-Leadership so wichtig wie heute – für Führungskräfte, aber auch für die Mitarbeitenden selbst.“ NewWorkStories hat mit der Wahl-Kärntnerin mit deutschen Wurzeln über Selbstermächtigung, gute Kommunikation und das Ende der Überforderung gesprochen.
NewWorkStories: Cathrin, man hat den Eindruck, viele Mitarbeiter*innen und Führungskräfte ächzen aktuell unter den Transformationsbestrebungen in den Unternehmen. Wo liegen denn deiner Meinung aktuell die größten Herausforderungen?
Cathrin Niehues: Den Wandel in Richtung New Work in den Unternehmen macht aus, dass die Verteilung der Verantwortung nicht mehr durch die Hierarchie vorgegeben ist. Die Führungskräfte geben kaum mehr Anweisungen an die Mitarbeitenden, sondern müssen diese empowern, eigenverantwortlich zu arbeiten. Mitarbeitende müssen stärker für ihre Projekte und sich selbst Verantwortung übernehmen – sich organisieren und selbst managen. Sie sind mit neuen Rollen und hoher Arbeitslast gefordert – und nach dem Arbeitstag ist zuhause oft noch nicht Feierabend, sondern es warten weitere Verpflichtungen. Der Umgang mit all diesen Anforderungen bedarf einer persönlichen Reife – und damit auch einem höheren Maß an Self-Leadership.
Was genau verstehst du denn unter Self-Leadership?
Self-Leadership ist die Fähigkeit, selbstverantwortlich und aktiv sein Leben zu gestalten im Bewusstsein seiner Gedanken, Emotionen und Handlungen, um ein gelungenes Leben zu führen - beruflich wie privat. Self-Leadership umfasst die Steigerung der Selbstwahrnehmung, Selbsterkenntnis und führt zu einer erfolgreichen Selbstregulation und Selbstmanagement. Das bedarf einer gewissen Reflexionsfähigkeit. Wenn man sich mit den eigenen Gedanken- und Verhaltensmustern sowie Emotionen auseinandersetzt, fällt es einem leichter, sich im Business sachlich einzubringen und Verantwortung zu übernehmen. Mit Self-Leadership agieren und reagieren wir bewusster statt uns unbewusst von Emotionen leiten zu lassen.
Ich höre immer wieder, dass Menschen in alte Verhaltensmuster verfallen, sobald sie mehr Verantwortung für ihre Arbeitsbereiche übernehmen, dass sie also doch wieder die Vorgesetzten um Rat fragen. Wie schaffen wir den Shift vom Mitarbeitenden zum selbstverantwortlichen Mitgestalter?
Das liegt häufig an der vorhandenen Fehlerkultur. Wir alle haben in unserer Sozialisation zudem nicht unbedingt gelernt, produktiv mit Fehlern umzugehen. Häufig ging es in Kindheit und Schule um die Frage: „Was hast du falsch gemacht? Wer hat Schuld?“ Dieses Schuldkonzept ist wenig zielführend und wir wollen dem Fingerpointing unbewusst häufig entgehen. Dann liegt es nahe, die Verantwortung lieber wegzuschieben, statt Ownership für sein Handeln zu übernehmen. Wenn Unternehmen eine konstruktive Fehlerkultur etablieren liegt der Fokus auf dem Lerneffekt aus Fehlern und nicht einzig auf der Schuldzuweisung. Dann ist es einfacher, Verantwortung zu übernehmen. Für Führungskräfte ist es hier wichtig, Vorbild zu sein und auch selbst Fehler zuzugeben und daraus Gelerntes mit dem Team zu teilen.
Mit welchen Themen kommen denn deine Klient*innen zu dir?
Meist sind sie über die Maße gefordert. Das kann aufgrund der Übernahme einer neuen Führungsrolle sein, etwa, dass sie befördert wurden und ein größeres Team, neue Aufgabenbereiche und mehr Verantwortung haben. Oder ihr Aufgabenspektrum erweitert sich durch Veränderungsprozesse, wenn ihre Expertise nicht mehr nur fachlich, sondern auch in der Menschenführung gefragt ist: Wie gehe ich mit Konflikten im Team um? Wie motiviere ich mein Team im Transformationsprozess?
Es kann aber auch sein, dass die Funktion dieselbe ist, sich aber das Umfeld verändert hat – etwa durch einen neue*n Kollege*in, mit dem man Konflikte hat. Egal was es ist: mit meinem Ansatz arbeiten wir immer an der inneren Haltung und einem Perspektivenwechsel meiner Klient*innen. Dadurch löst und ändert sich auch im Außen vieles. Nicht immer können wir die äußeren Umstände und andere Menschen beeinflussen – aber wir können immer an unserer inneren Haltung arbeiten – und für unsere Innenwelt und unser Verhalten Verantwortung übernehmen.

Mit der "Female Experts"- Serie begleite ich Expertinnen in die Sichtbarkeit. Teil davon ist eine kostenpflichtige Positionierungsberatung. Du bist Expertin für Neues Arbeiten oder Digitalisierung/KI? Dann buch bei mir einen virtuellen Kaffee:
Angenommen, ich bin deine Klientin und habe Mühe, mit den neuen Anforderungen in meinem Job klarzukommen. Ich bin im Widerstand. Oder ich bin Führungskraft, soll mein Team für den Wandel begeistern und bin mit Widerstand konfrontiert. Was kann ich tun?
Führungskräfte übernehmen immer stärker die Rolle von Coaches und Enablern und begleiten die Mitarbeitenden durch Transformation und in die Potenzialentfaltung. Dazu ist es wichtig, dass sie gut mit sich selbst in Kontakt sind. Ich arbeite mit meiner REAL-Methode, die ich basierend auf meiner Expertise in Mindfulness (Anm.: Diplom in Buddhistischer Psychologie) Yoga, Meditation und moderner Psychologie entwickelt habe. Das Innehalten und Durchatmen und bewusste Agieren und Reagieren hilft uns in herausfordernden Situationen sehr. R steht für „Realisiere, was ist“: Nimm den Moment im Hier und Jetzt wahr. E steht für „Erkenne deine Bedürfnisse“: Das erreichst du mit einem Check-in bei dir selbst, indem du dich fragst: „Wie geht es mir gerade wirklich? Was brauche ich gerade?“ A bedeutet: „Akzeptiere deine Emotionen.“ Es geht darum, ein Bewusstsein für die eigenen Emotionen zu schaffen, ohne in die Emotionalität zu kippen. L steht für: „Lebe deine Werte“. Wenn wir nicht nach unseren Werten leben, fühlen wir uns energielos und frustriert, aufgewühlt und getrieben. Wir haben das Gefühl, uns zu verbiegen und schauspielern zu müssen. Du bist du selbst, wenn du nach deinen Werten lebst und dein Handeln in Einklang mit ihnen bringst – Werte wie etwa innere Ruhe, Lebensfreude, Freiheit. Dann wirst du Herausforderungen mit viel mehr Leichtigkeit und Gelassenheit meistern.
Stichwort Emotionalität: Ein Beispiel: man gerät immer wieder mit einer Kollegin aneinander. Wie kann hier eine neue Haltung für bessere Kommunikation sorgen?
Wenn wir lernen, bewusst unsere Emotionen wahrzunehmen und unser Verhalten zu steuern, können wir auf der Sachebene bleiben. Das Problem bei vielen Konflikten ist, dass wir auf die Beziehungsebene rutschen, Gesagtes persönlich nehmen und impulsiv reagieren. Wenn wir unseren eigenen Anteil erkennen und lernen, zwischen Reiz und Reaktion innezuhalten und bewusst zu wählen, wie wir re-agieren wollen, verändert sich die gesamte Dynamik des Gesprächs. Man lernt, auf der Sachebene zu argumentieren statt Einwände als persönliche Attacke wahrzunehmen und verbal zurückzuschießen. Die Konflikte nehmen ab., die Gespräche verlaufen zielführend.
Du hast die Überforderung im Job angesprochen, was dazu führen kann, dass Menschen in das Quiet Quitting, also Dienst nach Vorschrift abdriften und irgendwann den Job kündigen. Führt dieser Bewusstwerdungsprozess durch Self-Leadership auch dazu, dass Menschen eher kündigen, wie es manche befürchten? Und: Wann ist es tatsächlich Zeit zu gehen?
Im Gegenteil, durch Self-Leadership bemerken wir, dass wir selbst etwas ändern und beeinflussen können. Meine Klient*innen kündigen dann in der Regel nicht, weil sie ihre Situation verändern konnten, indem sie selbstwirksam wurden. Durch mein Self-Leadership Coaching erkennen sie neue Handlungsoptionen für sich und ergreifen sie. Viele wechseln den Job, weil sich nichts ändert – weil sie aber auch selbst nicht versuchen, etwas zu ändern. Man denkt, auf der anderen Seite sei das Gras grüner. In meinem Self-Leadership-Ansatz geht es darum, hinzuschauen: Was passt denn gerade nicht? Welches Bedürfnis kannst du gerade nicht erfüllen? Welche Stärken kannst du nicht ausleben? Und dann ist die Frage: wie kannst du dich einbringen, deinen Job aktiv gestalten im Sinne von Job Crafting – damit Quiet Quitting keine Option mehr ist? Dazu musst du natürlich zuerst wissen, was du wirklich, wirklich willst. Meine Erfahrung zeigt, dass im aktuellen Setup oft noch viel mehr möglich ist, als man oft denkt. Beispielsweise hat einer meiner Klient*innen neue Motivation und Freude für seinen Job entfachen können, weil er neben seiner operativen Tätigkeit ein Projekt zum Umweltschutz, einer seiner Werte, bei seinem Arbeitgeber initiiert hat. Der Fall zeigt: eine zusätzliche Aufgabe kann auch beflügeln anstatt belasten.
Jedoch: wenn du in deinem Job alles ausgereizt und versucht hast, was in deinem Einflussbereich liegt, und du zum Entschluss kommst, es passt einfach nicht, dann kann eine berufliche Veränderung sinnvoll sein. Das ist für mich aber nie die erste Lösung – denn sofern nicht zunächst die Tranformation in dir stattgefunden hat, wirst du im neuen Job schneller als dir lieb ist wieder mit den gleichen Herausforderungen konfrontiert sein.
Viele von uns sind mit hoher Arbeitslast gefordert, hinzu kommt die Entgrenzung der Arbeit: gerade im Home Office fällt es schwer, mit der Arbeit „Schluss“ zu machen. Was können wir bei Überlastung und Stress selbst tun?
Vielen von uns fällt es schwer, „nein“ zu sagen, weil der Wunsch nach Harmonie besteht. Wenn man jedoch zu mehr „ja“ sagt, als die eigenen Kapazitäten hergeben, entsteht Überlastung, die dauerhaft nicht förderlich ist – weder beruflich noch privat. Somit ist es hilfreich, sich seiner Ziele sowie Ressourcen bewusst zu sein und darauf basierend Entscheidungen zu fällen. Ein „Nein“ gelingt leichter, wenn man gleichzeitig weiß, wozu man damit „ja“ sagt. Man kann “nein“ sagen, ohne direkt eine Konfrontation auszulösen. Das geht mit einer bewussten und achtsamen Kommunikation.
Ich kann das als ehemals notorische Ja-Sagerin nur bestätigen. Was mir aufgefallen ist: je öfter man ja sagt, desto öfter wird man gefragt, ob man „das noch schnell machen kann“.
Ja, deswegen ist es so hilfreich, durch die erhöhte Selbstwahrnehmung sich seiner Selbst im gegenwärtigen Moment bewusst zu sein. Anstatt ein vorschnelles „ja“ zu äußern, hilft es innezuhalten, um dann eine realistische Lösung vorzuschlagen. Das kann im Arbeitskontext z.B. eine Umpriorisierung, Zusammenlegung oder neue Verteilung von Aufgaben beinhalten.
Du warst selbst zehn Jahre als diplomierte Volkswirtin in der Corporate-Welt als Projektleiterin unterwegs: was hat dich dazu bewogen, dich mit Mindfulness und Self-Leadership zu beschäftigen?
Während meiner Zeit im Corporate Management internationaler Konzerne erkannte ich, dass es Eigenverantwortung und aktives Handeln bedarf, um auf sich achtzugeben. Ursprünglich habe ich mit Yoga als Ausgleich zum anspruchsvollen Joballtag begonnen. Schnell hat mich als kopflastiger Mensch begeistert, welchen Einfluss wir durch unseren Geist auf unser Wohlbefinden ausüben können. Dieses Interesse habe ich mit einer Yogalehrerausbildung, mit Meditationstrainings und einem Diplom in Buddhistischer Psychologie am Tibetzentrum Österreichs vertieft, ich habe mich in Positiver Psychologie weitergebildet und ein Diplom als zertifizierter, werteorientierter, systemischer Coach.
Ich habe mich also viel mit Psychologie, Emotionen und Geisteszuständen auseinandergesetzt und mich hat begeistert, wie aktiv wir unsere innere Welt gestalten können und wie sehr wir uns ein stückweit von äußeren Umständen unabhängiger machen, sie aber auch positiv beeinflussen können. Denn nicht immer brauchen wir gleich einen neuen Job, einen neuen Partner oder müssen in eine neue Stadt ziehen, wenn etwas nicht so läuft, wie wir uns das vorstellen. Ich möchte, dass die Menschen aus diesen Wenn-Dann-Schleifen herauskommen und erkennen, dass sie es in der eigenen Hand haben, auf Umstände zu reagieren und Dynamiken zum Besseren zu beeinflussen.
Hast du einen Tipp für unsere Leser*innen, den sie heute noch oder spätestens morgen umsetzen können?
Eine kleine Veränderung in den täglichen Routinen kann eine große Wirkung haben auf dein Energielevel und Erholung sorgen. Ein Klient etwa fuhr immer auf dem kürzesten Weg mit dem Fahrrad zur Arbeit und zurück, um keine Zeit zwischen Job und Familie zu verlieren. Abends kam er erschöpft zuhause an ohne Elan für jegliche privaten Aktivitäten. Neben anderen Maßnahmen haben wir auf dem Nachhauseweg einen Umweg über die Felder eingebaut: das gab ihm die notwendige Zeit, um von der Arbeit abzuschalten, und neue Kraft zu tanken bei der Bewegung und in der Natur. Er kam viel entspannter zuhause an. Das hatte nicht nur für ihn, sondern auch für sein Umfeld positive Auswirkungen. Also frag du dich gern: Womit kannst du dir nach einem Arbeitstag etwas Gutes tun?
Die Expertin für Self-Leadership: Cathrin Niehues
Die diplomierte Volkswirtin hat sich nach erfolgreichen Jahren in der strategischen Unternehmensberatung und als Pricing Managerin eines globalen Pharmakonzerns im Jahr 2021 mit RealGoodStuff selbstständig gemacht. Mit ihrem Coaching-Unternehmen REAL GOOD STUFF unterstützt Cathrin Niehues Führungskräfte und ambitionierte Menschen ein gelungenes Leben zu führen – beruflich wie privat. In ihrer Arbeit als Self-Leadership Coach vereint sie ihre Expertise in Mindfulness und emotionaler Intelligenz mit ihrem Corporate Background und greift auf wissenschaftlich fundierte Methoden und Techniken zurück. Ihre Einzelcoachings bietet sie für ihre weit gestreuten Klienten primär online an und vor Ort in Klagenfurt. Darüber hinaus gibt sie Workshops und Vorträge für Unternehmen und lädt ein zu Yoga-Mindfullness-Retreats in Südtirol.
Mehr zu Cathrins Arbeit findest du auf: https://realgoodstuff.at