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Arbeit mal anders #7: CHAN macht mehr als Halbe-Halbe

Kategorie:
Autor: Nicole Thurn
Datum: 19.07.2019
Lesezeit: 
3 Minuten

Zusammen sind sie CHAN: Christiane Haasis und Angela Nelissen teilen sich den Job als Vice President bei Unilever. Mit überraschenden Effekten.

Zwei Mitarbeiter teilen sich einen Vollzeitjob. Sicher, das kann funktionieren. Aber im Topmanagement? Hier rümpfen wohl viele ungläubig die Nase. Angela Nelissen und Christiane Haasis beweisen offenbar das Gegenteil: Sie teilen sich die Position des Vice President Refreshment DACH beim Konzern Unilever. Ihr Codename: CHAN. Was nach Kung-Fu in den oberen Etagen klingt, ist Zusammenarbeit auf einem neuen Level. 

Die beiden lernten sich im Rahmen der bekannten Dove-Kampagne im Jahr 2004 kennen, die "ganz normale" Frauen in der Werbung in den Vordergrund stellte. Angela war damals für das Marketing in Europa zuständig, Christiane war operative Länderchefin. Damals erkannten sie, dass die beiden gut miteinander konnten und eine "gemeinsame Vision und ein gemeinsames Ziel" hatten. 

 Jobsharing machen sie bereits seit 2009, auf Toplevel teilen sie sich die Stelle als Vice President seit rund einem Jahr. Damals hatten beide ihre Familien gegründet, Christiane überlegte nach der Geburt ihrer Tochter, wie sie am besten ihren Wiedereinstieg ins Unternehmen vorbereiten sollte. Angela war mit ihren drei Kindern und ihrem Vollzeitjob als Category Director damals sehr gefordert: "Ich merkte, dass ich nicht mehr ich selbst war, ich funktionierte nur noch."  Christiane erinnerte sich an die gemeinsame Dove-Zeit mit Angela und lud sie zum Weinabend ein. Der weinselige Abend mündete im Entschluss, gemeinsam einen Job machen zu wollen und in einer krakeligen Zeichnung auf einem Notizzettel: eine Figur mit zwei Köpfen samt Namensvorschlägen: "C2H, 2CH, Hank. Später wurde daraus CHAN", erzählt Christiane.

Aus zwei mach eine

CHAN - das klingt nach Power, nach Durchschlagskraft und nach Einsatz. Sie sprachen mit ihren vorerst skeptischen Chefs, richteten eine CHAN-Mailadresse für ihre Mitarbeiter ein.  Sie wollten ab sofort als eine Person wahrgenommen werden, um Verwirrungen und Missverständnisse um Zuständigkeiten zu vermeiden. "Ein gutes Verkaufsargument", um die Chefs wohlwollend zu stimmen, war die Zusammenlegung ihrer Erfahrungen, ihrer Hirne und ihrer Fähigkeiten und Talente, plus: "in den Urlaubszeiten war immer eine von uns da", sagt Christiane. Eine Win-Win-Win-Situation also für alle. Christiane war mit dieser Lösung der Teilzeitfalle entkommen und konnte einen Job mit Verantwortung übernehmen, Angela hatte endlich Entlastung und das Unternehmen zwei Powerfrauen zu zwei mal 60 Prozent Arbeitszeit.  "Die Firma hat nur Vorteile, aber keine Nachteile", bestätigt Angela. "Nur laufen die Abstimmungen eben über uns beide und wir sprechen uns intern ab." Auch das sei problemlos, beide arbeiten mittwochs den halben Tag zeitgleich, halten einander auf dem Laufenden und entscheiden gemeinsam. Sie sehen sich als eingespieltes Berufsehepaar: "Wir haben telepathische Fähigkeiten", lacht Angela. Die eine weiß sofort Bescheid, was die andere meint. Auch wenn beide zugeben, dass schon mal Diskussionen aufkommen. 

Mythos beste Freundin

Dass Jobsharing generell und vor allem in den Führungsetagen so unpopulär sei, liege wohl an einem Missverständnis, meinen die beiden. Schließlich sei es im Sport völlig akzeptiert, dass Teams gemeinsam Leistung erbringen, "nur in der Arbeitswelt sitzen wir dem Irrglauben aus den Zeiten der Industrialisierung auf, dass nur ein Mensch einen Job stemmen kann", sagt Angela. 

Mittlerweile hat sich das Jobsharing-Modell bei Unilever mehr als bewährt. Schon mehrere "Paare" arbeiten im Jobtandem. Ihre Vorgesetzten seien laut einer Umfrage sehr zufrieden, mit im Schnitt 4,6 von 5 Zufriedenheitspunkten. Einziges Manko: Bisher greifen nur Frauen auf das Teilen des Jobs zurück. "Das Modell funktioniert, die Männer können sich ruhig auch mal trauen", sagen CHAN. Dass man sich als Führungsduo immer super verstehen muss, sei allerdings ein Mythos. Es sei nichts anderes als professionelle Teamarbeit, die gut funktioniere, "weil man ein gemeinsames Ziel hat", sagt Angela. Freundinnen sind die beiden privat nicht: "Nein, wir fahren nicht gemeinsam auf Urlaub", lacht Christiane.

Die Allgemeinheit glaube, Jobsharing sei ein Organisationsmodell, "in Wirklichkeit ist es ein Entwicklungsmodell", sagt Angela. Man lerne so viel vom anderen. Das bestätigt auch Christiane: "Ich mache meinen Führungsjob ganz anders als vor zehn Jahren, ich habe ständig Angela auf meiner Schulter sitzen, auch wenn sie nicht da ist. Sie macht mich einfach besser", sagt Christiane. 

Wie CHAN zusammenarbeiten, mit welcher Haltung sie in ihren gemeinsamen Job gehen und was sie angehenden Jobsharern raten, erzählen Angela Nelissen und Christiane Haasis im 7. Podcast-Interview von "Arbeit mal anders". CHANs Appell: "Einfach machen, denn mehr Menschlichkeit tut uns allen gut!"

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Beitrag von Nicole Thurn

ist Herausgeberin von Newworkstories.com, New-Work-Enthusiastin und langjährige Journalistin mit einem kritischen Blick auf die neue Arbeitswelt.

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