Stefan und Manuel Minichberger von Probetag.at
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Job auf Probe – Leidenschaft zum Probieren

Autor: Nicole Thurn
Datum: 27.09.2021
Lesezeit: 
3 Minuten

Die richtige Berufswahl zu treffen, ist aus der Theorie heraus schwierig. Wie Probetag.at Jugendlichen die Entscheidung erleichtert, beschreibt Co-Gründer Manuel Minichberger in seinem Gastbeitrag.

Stefan und Manuel Minichberger von Probetag.at
Die Zwillingsbrüder Stefan und Manuel (re.) Minichberger wollen mit Probetag.at Jugendlichen und Berufseinsteiger*innen die richtige Berufswahl ermöglichen (@ Probetag.at)

Die IT-Revolution der letzten zwei Jahrzehnte hat unser ganzes Leben in fast allen Bereichen enorm vereinfacht. Wir buchen Flüge, Hotels, Konzertkarten und vieles mehr beinahe ausschließlich online und sparen uns damit jede Menge Zeit. Aber ist es auch einfacher geworden im richtigen Beruf zu landen? Die sinkende Verweildauer von Mitarbeitern in den Unternehmen lässt darauf schließen, dass dies nicht der Fall ist. Obwohl das Internet neue Möglichkeiten zur Berufsinformation bereitstellt, so ist der Prozess, wie wir zu unserem neuen Job kommen immer noch überraschend ähnlich dem unserer Eltern. Anstatt in Zeitungen zu blättern, verwenden wir natürlich unser Smartphone. Aber sobald wir uns für einen Beruf interessieren, sind wir immer noch im Bewerbungsprozess der 80er Jahre gefangen. Wir verfassen unseren Lebenslauf und unsere Bewerbung, werden im nächsten Schritt zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen und erscheinen bei positivem Verlauf anschließend am ersten Arbeitstag im Büro.

Und dort finden wir genau das vor, was wir uns vorgestellt haben: einen interessanten Aufgabenbereich, ein freundliches Team und ein Arbeitsumfeld zum wohl fühlen - oder auch nicht. Bereits am ersten Tag bekommen wir ein sehr gutes Bild, ob wir tatsächlich am richtigen Ort gelandet sind oder ob die Dame aus der Personalabteilung (oder der Herr) bei der Verfassung der Stellenbeschreibung zu euphorisch war. In Wirklichkeit trifft sie aber auch keine Schuld, denn herauszufinden, ob jemand ins Team passt und wie sehr einem das Arbeitsumfeld und der Arbeitsalltag gefällt, ist mit dem herkömmlichen Bewerbungsprozess ganz einfach nicht möglich.

Nachdem ich diese Erfahrung selbst mehrmals durchgemacht habe und innerhalb von vier Jahren drei Mal den Job wechselte, kam mir die Idee von einem Probetag. Wie einfach wäre alles, wenn ich mir Jobs, für die ich ausreichend qualifiziert bin, unverbindlich für einen Tag vor Ort anschauen könnte? Ich würde sofort entdecken, was tatsächlich auf mich zukommt und wie ich mit den Kollegen harmoniere. Die Personalabteilung könnte mich ebenfalls persönlich kennenlernen und bräuchte nicht zuerst 30 andere Lebensläufe und Bewerbungsschreiben zu studieren, 5 Kandidaten für eine Stunde zu interviewen, nur damit ich nach 8 Monaten wieder das Unternehmen verlasse.

Natürlich wird das Thema zunehmend komplexer je spezieller die Anforderungen an den zukünftigen Mitarbeiter sind. Aber was ist mit Berufseinsteigern und Schülern bei der Lehrstellensuche? Sobald das Unternehmen weiß, dass der Bewerber die Mindestvoraussetzungen für einen positiven Lehrabschluss erfüllt (gutes Zeugnis, gute Noten in speziellen Fächern), geht es nur noch darum, ihn persönlich kennenzulernen, um sicherzustellen, wie sehr ihm der Aufgabenbereich, das Team und das Arbeitsumfeld gefällt bzw. liegt.

Fast jeder 5. bricht die Lehre ab, fast jeder 2. wechselt die Branche.

Dass der Prozess der Berufswahl für junge Menschen wahrlich nicht funktioniert, zeigen Zahlen eindeutig: 18,6 Prozent der Berufseinsteiger brechen ihre Lehre ab und beinahe die Hälfte (46%) wechseln direkt nach dem Lehrabschluss nicht nur das Unternehmen, sondern auch die Branche. Eine Befragung in den Schulen bestätigt, dass es tatsächlich der Bewerbungsprozess ist, der die Jugendlichen zum Start der falschen Karriere verleitet. Was wir als Erwachsene oft vergessen ist, dass dieser Prozess für viele Jugendlichen eine enorme Stresssituation darstellt und sie ihn darum bestmöglich vermeiden. Sehr oft wird daher das erstbeste Angebot für einen Lehrplatz angenommen, obwohl dieser nicht wirklich passt. Die Angst vor weiteren Bewerbungsprozessen verleitet viele vorschnell zu einer Zusage. 85 Prozent der Schüler geben an, dass sie entweder das Bewerbungs-Telefonat oder der weitere Bewerbungsprozess davon abhält, sich weitere Lehrstellen anzusehen. Wer es sich leisten kann, verschiebt das Problem nach hinten und bleibt vorerst lieber in der Schule.

Diese Fakten waren für mich Grund genug, um dagegen etwas zu unternehmen. Durch die Plattform Probetag.at möchten wir den Prozess der Berufswahl für junge Menschen nun ein für alle Mal ändern. Jeder Schüler soll die Chance bekommen seine Leidenschaft zu entdecken und sofort im richtigen Beruf zu landen. Genauso einfach wie bei Konzert- oder Kinotickets bekommen sie die Möglichkeit, Probetage bei Unternehmen online zu buchen, um unterschiedliche Berufe und Unternehmen vorab hautnah zu erleben. Das Ganze funktioniert natürlich ohne Bewerbung, Bewerbungsgespräch und Telefonat. Jeder soll die Chance bekommen, seine Interessen einfach und ohne Hürden zu erforschen. Auf der anderen Seite bekommen die Unternehmen auch ohne bürokratischen Aufwand einen Terminvorschlag per E-Mail zugeschickt und lernen daraufhin ihre potenziellen neuen Mitarbeiter*innen dort kennen, wo es zählt – bei der Arbeit im Team. Unser Ziel ist es, den Prozess der Berufswahl von einer Stresssituation in ein positives, spannendes Erlebnis zu verändern, sodass mehr junge Menschen am richtigen Ort landen. Arbeit kann und soll Spaß machen. Warum nicht auch der Weg dorthin?

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Beitrag von Nicole Thurn

ist Herausgeberin von Newworkstories.com, New-Work-Enthusiastin und langjährige Journalistin mit einem kritischen Blick auf die neue Arbeitswelt.

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