Romy Sigl hat alleine einen Coworking-Space aufgezogen und hat mit "Yellow Desks" ein Airbnb für Schreibtische gegründet. In ihrem neuen Buch erzählt sie, worauf es beim Co-Working ankommt.

Das Außenthermometer zeigt 31 Grad. Romy und mich trennen 250 Kilometer Luftlinie, sie in Salzburg, ich in Wien. Ich erreiche sie ganz altmodisch per Handy im Schwimmbad. Romy Sigl hat mit "Do what you love - the coworking guide to galaxy" soeben ein Buch geschrieben, das mehr ist als eine Anleitung für angehende Co-Worker - nämlich ein Manifest zur Selbstständigkeit unter Gleichgesinnten. Ihre neue App "Yellow Desks" eröffnet Unternehmen, selbst Co-working zu betreiben.
Es ist Mittag, du bist ist gerade im Schwimmbad. Du genießt die Vorteile der Selbstständigkeit?
Romy Sigl: Genau so ist es. Das Buch "Do what you love" ist nicht nur ein Marketingschmäh, sondern funktioniert wirklich. Wenn es schön ist, geh ich werktags ins Schwimmbad, am Wochenende ist es hier ja bummvoll.
Du schreibst in deinem Buch, aus deinem Traum ist ein Lebenstraum geworden. Inwiefern?
Ich habe meinen Job in einer Design-Agentur aufgegeben. Die Leute in meinem Umfeld fragten mich damals, ob ich verrückt sei. Mein Traum war aber, mich mit Menschen zu umgeben, die auch selbstständig sind und positiv denken. Mein Lebenstraum ist es, dass ich an 90 Prozent meiner Lebenstage aufstehe und das mache, was ich liebe - nach dem Motto "do what you love". Und wenn es das nicht mehr sein sollte, dass ich dann einfach etwas anderes mache.
Du hast vor 5 Jahren den Co-working Space Salzburg gegründet. Wieviel Selbstausbeutung war nötig, bis es lief?
Die ersten zwei Jahre waren schon Selbstausbeutung, ich glaub, das ist ganz normal. Ich habe ja auch allein gegründet. Alle anderen Co-working-Gründer, etwa in Berlin, haben gesagt: das kannst du nicht alleine.
Warum wolltest du es dennoch als One-Woman-Ding aufziehen?
Ich wollte es mit anderen aufziehen, es war aber schwierig, passende Co-Founder zu finden. Ein Jahr vor Eröffnung habe ich ein Treffen für Interessierte veranstaltet, habe auch ausgeschrieben, dass ich Mitgründer suche. Es kamen Leute mit Ideen, die aber das Geschäftsrisiko nicht mittragen wollten. Ich habe dann die Community in Richtung Autonomie erzogen. Es gibt keinen Personalposten außer mir, keine Rezeptionsdame oder Ähnliches. Wenn ich nicht da bin und Leute sich den Co-working Space anschauen wollen, führt einfach jemand aus der Community sie herum. Umgekehrt spiele ich auch gern die Assistentin für meine Mieter, bringe den Kaffee für ihre Kunden oder so.
Wie hast du es geschafft, dich einzumieten und dein Risiko zu minimieren?
Als ich die Netzwerktreffen und Co-Working-Events ein Jahr vor der Eröffnung veranstaltet habe, wurden Medien auf mich aufmerksam. Mit dieser Medienpräsenz bin ich zu meinem jetzigen Vermieter Techno-Z gegangen. Der Eigentümer ist eine Bank, kein Hippieladen. Wir haben den Deal, dass ich Marketing und Veranstaltungen mache, die auch Techno-Z etwas bringt, und dafür bekomme ich reduzierte Miete.
Solche Kooperations-Partner sind offenbar sehr wichtig.
Ja, sonst ist es unmöglich, zu gründen. Ohne Partner geht es nicht. Man ist darauf angewiesen, dass eine Stadtgemeinde, ein Bundesland oder ein Konzern für die Standortentwicklung Fläche frei macht. Man kann auch nicht darauf vertrauen, dass man ewig Förderungen bekommt. Ich habe für den Co-working Space keine Förderung erhalten, lediglich für ein Projekt. Ganz ohne Risiko geht's nicht.
Was gab's bisher zu feiern?
Nach einem Jahr haben wir gefeiert, dass es uns noch gibt. Und gestern, dass unser Buch eingetroffen ist. Wir haben auch gefeiert, als wir "Co-work & Baby" eröffnet haben. Zwei Mal in der Woche am Vormittag können Mieter ihre Kleinstkinder von 0 bis 3 Jahren mitbringen, wir haben ein Appartement mit Babysitting Service dazugemietet, damit sich die anderen konzentrieren können. Momentan machen wir eine Pause, weil alle Kinder schon älter sind. Aber ich erwarte gerade selbst ein Kind, mein Co-founder von Yellow Desks auch. Dann wird es auch den Service wieder geben.
Warum hast du mit anderen die App "Yellow Desks" gegründet?
Wir hatten viele Anfragen von Firmen und Gemeinden, die auch einen Co-working Space wollten. Yellow Desks ist wie airbnb für Schreibtische. Firmen können freie Arbeitsplätze online eintragen und so vermieten. In Zukunft werden sich viele Firmen öffnen und eher mit Freelancern über Shared Desks zusammenarbeiten, als jemanden fix einzustellen. Wir werden das Angebot noch auf Agenturen, Werkstätten, Co-working Spaces ausweiten. Uns ist wichtig zu erklären, dass es nicht um einen Tisch und WLAN geht, sondern um die Community. Unser Motto ist auch hier "Do what you love": Wir unterstützen uns gegenseitig, damit das für jeden von uns möglich ist.
Community ist ja toll, aber: Sitzt du nicht manchmal in deinem Co-working Space und denkst dir: ich will meine Ruhe und mein eigenes Büro?
Nein, dann bleib ich daheim. Nur zuhause würde ich vereinsamen, nur im Co-working Space würde ich wahnsinnig werden, die Leute kommen ja ständig zu mir... Aber man hat ja die Wahl. Wenn ich Termine habe, geh ich hin. Wenn ich texten muss, brauch ich meine absolute Ruhe. Da will ich nicht, dass wer herkommt und mich stört, weil die Milch aus ist. Aber das ist meine Sonderstellung als Host. Wir haben aber die Kultur: die Leute setzen Kopfhörer auf, wenn sie ihre Ruhe wollen. Ich arbeite aber gern mit anderen, auch "Do what you love" ist in einem Co-working-Prozess in nur vier Monaten gemeinsam mit Romana Hasenöhrl entstanden. Sie hat bereits Bücher geschrieben und war von Anfang an im Co-working Space dabei. Allein hätte ich wahrscheinlich ewig gebraucht.
Welche Start-ups sind eingemietet? Inwiefern wählst du da aus?
Im Prinzip ganz offen. ich komme aus bereich Design Thinking. Je unterschiedlicher eine Community, desto besser können die Mitglieder einander unterstützen. Standesgemäß zieht man eher Leute aus der Kreativwirtschaft an, das sind etwa 80 Prozent. Unsere Start-ups sind schon sehr senior, ganz neue Tech-Start-ups haben wir nicht hier sitzen, in der Community sind aber viele von ihnen dabei.
Was hättest du rückblickend bei der Gründung anders gemacht?
Ich habe wahnsinnig viel Zeit in Gesprächen verbracht, die mir am Ende nichts gebracht haben. Wenn mich heute um 9 jemand anrufe, den ich nicht kenne, sage ich ihm, er soll mir sein Anliegen mailen, dann entscheide ich, ob es für mich interessant ist. Früher habe ich mir alles im Detail angehört.
Jeder Gründer ist zeitweise mit Selbstzweifeln und Zweiflern in seinem Umfeld konfrontiert, die ihn von seiner Idee warnen oder abhalten wollen. Was rätst du in so einem Fall?
Wenn zu mir wer sagt, das wird sowieso nix, dann stachelt mich das an. Im ersten Moment bin ich am Boden zerstört, im zweiten heißt es aufstehen, Krone richten und ihr werdet schon sehen, dass es geht. Aber man muss schon sehr von seiner Idee überzeugt sein. wenn du die eigene Idee nicht visualisieren kannst, ist sie wahrscheinlich nicht die richtige. Es gibt so viele Ideen da draußen - auf den großen Unterstützer zu warten, bringt nix. Die Leute, die sagen, sie wollen dich unterstützen, wollen am Ende nur etwas von dir: sei es deine Energie, dein Netzwerk oder irgendwas anderes.
Welche Vision treibt dich derzeit an?
Das Kinderthema beschäftigt mich schon seit Jahren und die Frage: Was mache ich, wenn ich von meinem Mann abhängig bin? Meine Idee, um weniger abhängig zu sein, war es, über Co-working ein Stück passives Einkommen zu generieren. Meine Pläne für meine Kinder gehen dahingehend weiter, dass ich eine Co-working-Schule gründen will. Die Schraubenfabrik in Wien macht das, das passt gut zum Co-working.
Es sind ja auch viele recht unzufrieden mit dem Schulsystem. Die Idee ist, dass gemischte Altersgruppen voneinander lernen, themenbasiert und nicht nach Fächern geordnet. Anfangen werde ich mit der Planung in ein, zwei Jahren, damit mein Kind mit sechs Jahren in unserer Schule starten kann.
"Do what you love" ist soeben im Eigenverlag erschienen und auf coworkingsalzburg.com erhältlich. Romy Sigl ist offen für Kooperationen mit Verlagen. Die englischsprachige Version erscheint im August. Romy Sigl hat auch auf dem TedX Bangalore über "Do what you love" gesprochen: Vortrag auf Youtube.
Yellowdesks.com ist eine neue Plattform für freie Schreibtische.
Co-working Space Salzburg ist Teil des Netzwerks Startups Salzburg, ein Zusammenschluss des Landes Salzburg, Wirtschaftskammer Salzburger, Universitäten und Fachhochschulen. da geht es darum startups mit mentoren, events, workshops zu helfen. Romy Sigl veranstaltet Pitching- und Offline-crowdfunding-Events für Start-ups.