Hermann Arnold hat sich von seinen Mitarbeitern als CEO abwählen lassen. Entschieden wird bei Haufe-Umantis im Kollektiv - doch problemlos ist das nicht.
Hermann Arnold lebt neues Leadership und neues Arbeiten, wo andere Manager noch den Kopf schütteln. Als CEO ließ sich der Mitgründer des Software-Anbieters Haufe-umantis im Jahr 2013 von seinen Mitarbeitern abwählen, führte mit Kollegen agile Karrierewege mit flexiblen Auf- Ab- und Querstiegen ein und ließ die Mitarbeiter über Gehälter und Neuanstellungen entscheiden. Heute ist er Verwaltungsratspräsident im Unternehmen. In seinem neuen Buch "Wir sind Chef" (siehe hier) beschreibt er seine Erkenntnisse und liefert Anregungen für verteilte Führung in der digitalen Transformation. Am 8. und 9. Mai ist er als Vortragender bei der (Un-)Konferenz "Freiräume" in Graz zu Gast.
Herr Arnold, Sie sind 2013 als CEO zurückgetreten, weil Sie Ihren Führungsstil als nicht mehr passend erachtet haben. War das ein schmerzhafter Prozess, loszulassen – nämlich Macht und Verantwortung über Ihr eigenes Unternehmen?
Hermann Arnold: In erster Linie war es ein lehrreicher Prozess. Und natürlich war es auch zu manchen Zeitpunkten schmerzhaft. Eine Sache, die man dabei lernt, ist, dass es nicht um Macht und Verantwortung geht, sondern um Kontrollverlust – selbst wenn Kontrolle heutzutage nur eine Illusion ist.
Sie ließen Ihre Mitarbeiter über den neuen CEO entscheiden. Marc Stoffel, den Sie selbst als geeigneteren Kandidaten vorgeschlagen haben, wurde gewählt. Warum?
In unserem Unternehmen hatten wir von Beginn alle wichtigen Entscheidungen im gesamten Team getroffen. Wer unser nächster Geschäftsführer sein soll, war für uns auch eine solche wichtige Entscheidung.
Was denken Sie über Status und Macht? War Ihnen das nicht wichtig?
Status und Macht sind wichtige Dinge – auch für mich. Aber ich halte wenig von Status und Macht, die von Positionen kommen. Tatsächlicher Status und tatsächliche Macht kommen von der Person und nicht von der Rolle.
"In Zukunft müssen wir alle lernen zu führen UND zu folgen."
Nach einer Auszeit haben Sie begonnen, im Unternehmen im Produktmanagement zu arbeiten. Wie war das für einen ehemaligen CEO?
Das war in erster Linie sehr lehrreich, und in zweiter Linie durchaus recht hart. Gelernt habe ich vor allem zu folgen. Das ist eine unterschätzte Kompetenz. In Zukunft müssen wir alle lernen zu führen UND zu folgen. Hart war es in erster Linie, weil wir zu dieser Zeit eine größere Baustelle im Produktmanagement hatten.
Warum denken Sie, ist es so wichtig, die Mitarbeiter einzubeziehen? Bzw. wann ist es besser, das nicht zu tun? Es gibt neben dem Konzept der Schwarmintelligenz ja auch das der Schwarmdummheit: zu viele Meinungen führen zu Fehlentscheidungen.
Ich glaube, das ist ein großes Missverständnis bezüglich Selbstorganisation und Schwarmintelligenz. Mitarbeiter mit einzubeziehen, heißt nicht, dass der Prozess führungslos ist. Im Gegenteil, er braucht besonders starke Führung. Einfach eine andere Art von Führung. Es ist eine Führung, die Wege vorschlägt, sich aber bewusst ist, dass Mitarbeiter freiwillig folgen oder eben auch nicht. Meiner Meinung nach ist es eine Illusion zu glauben, dass man Mitarbeitern das Folgen befehlen kann. Wenn Mitarbeiter nicht von einer Richtung überzeugt sind, dann folgen sie einfach nicht, entweder sichtbar oder unsichtbar. Und das Wichtige von Einbezug ist, Entscheidungen von Führungskräften zu stoppen, wenn sie in die falsche Richtung laufen.
Was würden Sie oder Herr Stoffel in Bezug auf Strukturen, Mitarbeiterbeteiligung rückblickend gesehen anders machen?
Wir würden klarer entscheiden, wann ein Einbezug wichtig und richtig ist, und wann auch nicht. Im ersten Fall würden wir mehr Zeit auf die Meinungsbildung verwenden, im zweiten Fall würden wir mutiger und klarer Entscheidungen treffen und umsetzen.
Bei Haufe-Umantis haben Sie die spiralförmige Karriere eingeführt: je nach Projekt haben Mitarbeiter mal Führungsverantwortung, mal nicht. Wie weit ist die Umsetzung gediehen?
Wir haben in unserem Unternehmen über ein Dutzend Führungskräfte, die zurückgetreten sind, und teilweise auch wieder Verantwortung übernommen haben – meist informell manchmal auch formell. Von der Kultur her sind wir recht weit, aber dieser Weg ist nie abgeschlossen.
Wo liegen die Vorteile, wo die Schwierigkeiten? Ist das Rollen-Hopping für die betroffenen Mitarbeiter und Kollegen nicht zum Teil verwirrend?
Es ist für Kollegen in erster Linie nicht verwirrend, sondern einfach einmal neu. Wir müssen uns daran gewöhnen, Führung agiler zu verstehen. Die Vorteile liegen ganz klar in einer besseren Qualität von Leadership. Genau zu erklären, warum und wieso, würde den Rahmen dieses Interviews sprengen (Anm.: Weitere Infos dazu gibt es im Buch “Wir sind Chef“ oder auf der Plattform os.haufe.com). Ich werde davon auch auf der Unkonferenz berichten.
Gibt es noch weitere Innovationen in Sachen Leadership und Zusammenarbeit bei Haufe?
Ja (lacht)! Bei uns gibt es viele Innovationen und Experimente. Bei uns stellen Kollegen ihre Kollegen ein, wir bestimmen gemeinsam die Strategie und viele weitere. Wir haben beispielsweise auch Experimente zu einem bottom-up-Gehaltssystem gefahren – mit teilweise desaströsen Ergebnissen. Insbesondere über unsere Fehlversuche werde ich an den "Freiräumen" berichten – denn in erster Linie lernt man ja aus Fehlern und Fehlversuchen.
Hermann Arnold ist am 8. Mai 2017 auf der (Un-)Konferenz "Freiräume" zur neuen Arbeitswelt in der Grazer Seifenfabrik als Keynote Speaker zu Gast. Die "Freiräume" bieten neben Vorträgen einen Open Space zur Diskussion, Pionierstationen mit Unternehmen, die New Work bereits praktizieren, und Mini-Workshops. New Work Stories ist als Medienpartner dabei und wird berichten. Weitere Infos zum Programm und Tickets gibt es auf: http://freiraeume.community/freiraeume-2017