Paul Dyrek © Astrid Bartl
Paul Dyrek (© Astrid Bartl)

DeineSeite.at: Die Agentur mit App-Accelerator für Start-ups

Autor: Nicole Thurn
Lesezeit: 
5 Minuten

(Bezahlte Kooperation) Paul Dyrek ist mit seiner Fullservice-Agentur in vielen Bereichen Pionier – als Arbeitgeber bietet er seit 20 Jahren Home Office. Der Fokus liegt auf App-Entwicklung und einem Accelerator für Start-ups – samt Ecosystem.

Es begann mit Thor, dem nordischen Gott des Donners. Seine Schul- und später Studienkollegen nannten Paul Dyrek Thor – und so gründete er im Jahr 1999 die Agentur Thors-Design. Und wie das Donnergrollen das Gewitter ankündigt, war auch Paul Dyrek immer ganz vorn dabei, wenn ein Trend anrollte. „Damals konzentrierte ich mich hauptsächlich auf Printwerbung wie Flyer, Plakate usw.“, sagt Paul Dyrek. Im Jahr 2000 erstellte er die erste Webseite, 2001 den ersten Online-Shop, 2007 verkaufte er die Domain von Thors-Design.

Ihm war eine andere Domain aufgefallen, die ein Fotograf zum Verkauf anbot: DeineSeite.at. „Sie stand für ‚Deine Seite zum Erfolg‘ und wir wollten uns stärker auf den deutschsprachigen Markt fokussieren“, erzählt Paul Dyrek. Also kaufte er die Domain.

Was er nicht wusste: er kaufte noch viel mehr als das.

Monate nach dem Deal rief ihn eine Dame an: „Sie erzählte mir, dass die Toilettenspülung im Büro nicht funktioniere – also in unserem Büro. Allerdings: ich hatte meines Wissens gar kein Büro“, lacht er. Also kam raus, dass er mit der Domain auch ein Büro samt besagter Dame als Sekretärin quasi mitgekauft hatte – der Verkäufer hatte bis Jahresende die Miete übernommen.

Remote Work für alle

Im Jahr 2008 beschloss Paul Dyrek gemeinsam mit seinem Team, rein remote vom Home Office aus zu arbeiten – bis ihm eine Kundin ein Büro in ihrem Zinshaus offerierte. Auch hier gibt es eine lustige Anekdote: „Wir haben uns dort für die inzwischen rund 20 MitarbeiterInnen auf über 100 Quadratmetern eingerichtet, renoviert, sogar einen Ruheraum gab es. Irgendwann rief die Kundin an und fragte, ob ich ihr Dokumente aus dem ersten Stock bringen kann – erst da begriff ich, dass sie uns auch den ersten Stock vermietet hatte.“ Insgesamt 260 Quadratmeter Bürofläche also. „Plötzlich hatten wir zwei Küchen, zwei Badezimmer, manche MitarbeiterInnen übernachteten auch manchmal dort“, sagt er.

Für Paul Dyrek lautete das Credo immer schon: „Jeder darf dort arbeiten, wo er will – egal ob im Home Office, mobil oder im Büro.“ Als er irgendwann allein im Erdgeschoß saß und nur ein Kollege im ersten Stock, war es Zeit, das große Büro zu kündigen. Seit dem Jahr 2010 arbeitet das Team also weitgehend wieder remote. Nur für Repräsentationszwecke für KundInnen gibt es im ersten Wiener Bezirk ein Büro: „Das sind 100 Quadratmeter. Platz verschwenden wollen wir nicht, wir stellen es unseren Start-ups zur Verfügung“, erzählt er.

Wieso redet der Inhaber einer App-Entwicklung-Agentur über „unsere Start-ups“? Aus seiner Printagentur wurde eine Digitalagentur – und daraus hat sich neben dem Kerngeschäft mit KMU und internationalen Unternehmen zusätzlich ein Accelerator für Start-ups entwickelt. Rund 200 Start-ups begleitete Paul Dyrek bisher bereits von der Pieke auf und baute sie mit auf – darunter auch ungewöhnliche Businesses. Mit DeineSeite.at hilft er bei der Konkretisierung ihrer Business-Idee und des Businessplans, auch die Entwicklung und Umsetzung von maßgeschneiderten Apps übernehmen er und sein Team für die Start-ups – und das oft pro bono in der Prototypenphase. 2018 wurde er via Publikumsvoting bei der „NÖ Firmenchallenge“ zum „aktivsten Unternehmer Niederösterreichs“ in der Kategorie EPU gewählt, teilgenommen an der Challenge, die drei Monate Sport bedeutete, hatte er nur aus Spaß: „ich wollte mich anfangs nur mit meinen Kunden, die auch teilnahmen, matchen“, erzählt er. Als er auf Platz 20 gevotet wurde, begann er, die Sache ernst zu nahmen: „Dann kam der Ehrgeiz und ich habe mich angestrengt“, lacht er.

Von der Agentur zum Business Angel

Im Mai 2022 gewann DeineSeite.at mit dem Kundenprojekt Deinglas.at den Constantinus Award in der Kategorie IT, die höchste Auszeichnung, die eine Agentur in seiner Branche bekommen kann. Inzwischen hat Paul Dyreks Agentur ein Ecosystem für Start-ups geschaffen. DeineSeite.at wurde dazu kürzlich einem Makeover unterzogen. „Wir sind nicht nur eine Fullservice-Agentur, sondern treten nun auch offiziell als Business Angels und Accelerator für spannende Start-ups und angehende GründerInnen auf“, sagt Paul Dyrek. Investiert wird in vielversprechende Projekte, „dann übernehmen wir auch schon mal ein Viertel oder die Hälfte der Projektkosten – und das, wenn wir einen Prototypen gebaut haben, der funktioniert“. Dazu hat Paul Dyrek auch ein starkes Netzwerk aus Sponsoren, Investoren, Beratern für die Start-ups an der Hand. „Wir unterstützen sie gemeinsam mit unseren NetzwerkpartnerInnen etwa beim Pitchtraining, bei der Pressearbeit, beim Unternehmensaufbau und bei der Finanzierung“, sagt er. Ein eigens aufgesetzter Fonds hilft mit Finanzierungen, samt Bankdarlehen, Investoren-Pool, Crowdfunding und Crowdinvestment.

Die Business-Ideen, die er unterstützt, prüft er genau: „Wir lehnen auch unternehmerisch zweifelhafte Kundenanfragen ab – zum Beispiel die Idee einer App für den Verkauf von Grundstücken auf dem Mond“, lacht er.

Die Webseiten erstellt sein Team mit selbst entwickelten CMS-Systemen: „Schon bevor Baukastenanbieter wie WordPress in Europa aufkamen, hatten wir 2007 eigene CMS-Systeme für unsere KundInnen – sie bewähren sich immer noch bestens“, sagt er.

Home Office und flexible Zeiten

Probleme, MitarbeiterInnen in der IT und Webentwicklung zu finden, hatte Paul Dyrek in den vergangenen 20 Jahren nicht. „Unsere offenen Stellen sind sehr beliebt: wir bieten ja auch seit fast 20 Jahren Home Office und völlig freie Zeiteinteilung. Mich interessiert auch nicht, was eine Person davor gemacht hat“, sagt er. Wie bitte? „Ja, das ist uns egal. Mir kommt es darauf an: was interessiert den Bewerber – und was ist er bereit zu lernen?“ Auf eine offene Stelle noch vor Coronazeiten im Jahr 2019 meldeten sich unglaubliche tausend BewerberInnen.  Die Unternehmenskultur selbst ist bunt wie die Belegschaft: Das Credo im gemeinsamen Umgang: „Jeder hat alle Freiheiten.“ Das Team ist sehr bunt an Lebensentwürfen und Menschen – Diversity wie kaum woanders. Menschen mit Migrationshintergrund, unterschiedlicher sexueller Orientierung und Lebensläufen, die man nicht vermuten würde.

Paul Dyrek liebt eben Unikate. Und sagt auch über sich selbst: „Ich bin gern anders als die anderen“. Zum Bewerbungsgespräch rund um einen große Auftragsvergabe kam er mit seinem dicken Notizbuch aus Büffelleder, während die anderen Bewerber in Anzügen und mit Laptops und Tablets präsentierten. Zur zweiten Runde kam er joggend im Laufgewand, weil er erst eine Stunde davor den Anruf bekommen hatte. Er bekam den Auftrag.

Denken aus der Zukunft

Sein Credo ist ständiges Neuerfinden und Pivotieren von Ideen. „Wir probieren sie aus, optimieren sie und bieten sie ein Jahr später unseren KundInnen an. Solange wir nicht wissen, ob es richtig gut funktioniert, machen wir das auch kostenlos“, sagt er. Den 2001 für den Eigenbedarf gegründeten Onlineshop testete er und bot das Erstellen von Onlineshops ein Jahr später den Kunden an. „2004 erstellten wir unser eigenes Autoren-Portal und 2005 boten wir Portale (Web-Apps) für die KundInnen an“, erzählt er. Paul Dyreks Agentur war im Jahr 2010 auch die erste in Österreich „und eine der wenigen Agenturen Europas“ mit eigenem Bewertungssystem für Dienstleistungen, das auch von Google akzeptiert wurde. Was nicht funktioniert, wird abgehakt, „zum Beispiel die Unternehmensseite auf Facebook: dadurch haben wir keinen einzigen Kunden gewonnen.“ Dieses Mindset gibt Paul Dyrek auch an seine Kund*innen weiter. Mit ihnen spielt er oft das Gedankenspiel der „Regnose“ statt einer Prognose: „Ich versetze meine KundInnen dann gedanklich in die Zukunft und führe sie mit Fragen durch: wo befinden wir uns gerade? Was haben wir getan, um hier zu sein? Was hat gut funktioniert, was nicht?“

Aus gegenwärtigen Trends und Entwicklungen könnten so neue Business-Ideen entstehen. Start-ups rät er: „Schaut nicht immer auf die Masse an Kund*innen. Milliarden-Unicorns können schnell pleite gehen, wenn der Markt plötzlich einbricht. Viele Plattformen leben davon, Millionen User zu haben. Doch es lässt sich sogar mehr Geld mit Nischen und wenigen hunderten oder tausenden Usern verdienen – und das geht auch für EinzelunternehmerInnen, die dann fast ohne Aufwand und ohne MitarbeiterInnen 15.000 Euro im Monat verdienen können“.  Apps sieht Paul Dyrek generell als digitalen Zukunftsmarkt: „Viele Dienstleistungen laufen zunehmend appbasiert ab. Das Smartphone ist zum erweiterten Körperteil geworden.“ Sein Tipp: „Eine Idee macht als App dann Sinn, wenn man sie regelmäßig nutzt – am besten mehrmals die Woche. Sie sollte auch mit dem User kommunizieren können.“ Derzeit arbeitet Paul Dyrek mit einem neuen Kollegen auch an so einem Nischenprojekt: eine App für Obstanbau.

Für seine Kund*innen hat er nicht nur ein Ecosystem mit Netzwerkpartner*innen, sondern sogar einen eigenen internen Award geschaffen: Mit dem „IT-Leaf-Award wird ab sofort jedes Monat ein Startup-Kunde für seine besonderen Bemühungen und die Zusammenarbeit ausgezeichnet. „Jeder Kunde steht als Persönlichkeit für das Blatt, der für den Baum, also ihr Unternehmen, Kraft spendet. Damit wollen wir unseren Kunden zeigen, dass sie als Persönlichkeiten etwas Besonderes sind“, sagt er. Dazu gibt es 15 Kategorien wie Pünktlichkeit, Ausdauer oder Humor. Eine Auszeichnung bekommt nur, wer zumindest in drei Kategorien die Nase vorn hat. Eines ist klar: die Ideen gehen Paul Dyrek nicht aus.

Weitere Beiträge
Freiräume: Wer Neues will, lässt Altes weg
Die (Un)Conference Freiräume widmet sich am 10. und 11. Juni in der Grazer Seifenfabrik mit interaktiven Formaten dem Weglassen in Unternehmen. Mit dabei ist die GenZ: Unternehmen können Tickets für junge Menschen sponsern.
Workation im Winter-Chalet: Wenn Gemütlichkeit auf Fokus trifft
Arbeiten mit Entspannung: das geht auch im winterlichen Österreich. Im INNsHolz Chalet-Dorf lässt es sich gleichzeitig entspannen und auf das Buchprojekt fokussieren.
K.I.olumne: Zwischen Utopie und Realität - Die Ambivalenz der New Work Trends 2024
Hier schreibt ChatGPT über seine Meinung und Perspektive zur neuen Arbeitswelt.
hopp rauf
magnifiercross