Ein Jahr am Meer, mit dem Job im Gepäck

Ein Jahr am Meer, mit dem Job im Gepäck

Autor: Nicole Thurn
Datum: 03.01.2018
Lesezeit: 
4 Minuten

Der Job ist in Köln, die Mitarbeiterin auf Teneriffa: Social-Media-Koordinatorin Eva Schubert überzeugte ihren Chef, ein Jahr von der Sonneninsel aus arbeiten zu können. Ein Jobsharing-Modell machte es möglich.

Jeden Tag dieselbe Routine: Der Wecker klingelt, schnell unter die Dusche, rauf aufs Rad und ab zu Arbeit. Manchmal ist die Strecke zur Arbeit mein einziger Moment an der frischen Luft. Den ganzen Tag verbringe ich im Büro. An Sonnentagen und nach dem Urlaub fällt mir das besonders schwer. Wie schön war das zu Studentenzeiten gewesen, als ich in der Mittagspause joggen gehen konnte! Die Flexibilität hat mir so viel Energie, Kreativität und Produktivität gegeben. In der Festanstellung fühle ich mich hingegen oft gefangen. Warum kann ich nicht flexibler sein? Gerade als Social Media Koordinatorin, da ich die meisten Aufgaben digital erledige, müsste das doch möglich sein.

Ich wollte mehr Zeit für andere Dinge im Leben haben. Statt Vollzeit nur noch in Teilzeit arbeiten. Den Ort selbst bestimmen. Ich träumte mich weit weg. Südafrika, Bali oder die Dominikanische Republik, wo viele digitale Nomaden leben und arbeiten. Doch andere Zeitzonen, weite Flugdistanzen und komplizierte Visa-Formalitäten brachten mich von den Fernzielen ab und lenkten meine Aufmerksamkeit auf Europa. Die Wahl fiel auf Teneriffa, eine Insel, die mich in einem Urlaub in ihren Bann gezogen hatte. Die gute Infrastruktur, das wohl beste Klima Europas, großartige Outdoor-Sportmöglichkeiten und die spanische Sprache, die ich schon immer lernen wollte, waren Gründe für die Insel. Außerdem hatte ich eine Hilfsorganisation auf Teneriffa gefunden, bei der ich mich ehrenamtlich engagieren wollte.

Im Ausland arbeiten trotz Festanstellung

Nun stand wohl die größte Herausforderung an: Mein Chef musste von der Idee, dass ich in Teilzeit aus Teneriffa arbeite, überzeugt werden. Denn kündigen wollte ich meinen Job nicht. Dafür machte mir die Arbeit einfach zu viel Spaß. Auf das Gespräch mit meinem Chef bereitete ich mich stundenlang vor. Alle möglichen Szenarien sprach ich mit meinem Freund durch. Erstellte einen Masterplan mit Aufgaben, die ich aus der Ferne machen könnte, webbasierten Tools, die ich zum Arbeiten brauchte und organisatorischen Dingen, wie oft ich bspw. nach Deutschland komme würde. Mein Herz schlug bis zum Hals, als ich vor meinem Chef saß und ihm meinen Plan vorstelle. Mein Pluspunkt: Er konnte meine Beweggründe verstehen und wollte mich im Unternehmen halten. Trotzdem waren seine Zweifel groß, dass die Arbeit auf eine solche Distanz funktionieren würde. Ich blieb hartnäckig. Für alle kritischen Punkte suchte ich Lösungen. Für die Vor-Ort-Termine wie Workshops und Meetings schlug ich ein Job-Sharing-Modell vor. Tatsächlich konnte ich intern eine geeignete Job-Sharing-Partnerin finden, die auch meinen Chef überzeugte. Nach drei Monaten voller aufreibender Verhandlungen mit dem Personaler und dem CEO wurde das Unglaubliche wahr: Ich erhielt die Zusage. Für ein Jahr darf ich von Teneriffa aus in Teilzeit arbeiten. An diesem Tag überschlugen sich die Glücksgefühle förmlich.

Nun musste Einiges organisiert werden: Ausmisten, die Wohnung untervermieten, Arztbesuche, packen und schon saßen mein Freund und ich im Flieger. In den ersten Wochen auf Teneriffa ging es stressig weiter: Eine Wohnung, Internetanschluss, Möbel, ein Auto und einen Coworking-Space mussten her. Ich hatte total unterschätzt, was es bedeutet, sich von Null an ein komplettes Leben aufzubauen – und das in einem fremden Land. Nach etwa einem Monat war es geschafft. Wir fanden eine schöne Wohnung mit Dachterrasse, kauften ein kleines Auto und klärten alle bürokratischen Dinge.

Die Vor- und Nachteile des Arbeitens auf der Insel

 Das Arbeiten auf der Insel funktionierte glücklicherweise von der ersten Minute an problemlos. Ich mietete mich in einem Coworking-Büro mit schneller Internetverbindung ein. Über eine VPN-Verbindung kann ich auf alle Firmen-Server zugreifen. Mit meiner Jobsharing-Partnerin habe ich die Aufgaben klar aufgeteilt. Ich erstelle im Backoffice Präsentationen und Analysen, schreibe Blogartikel, plane Social Media Beiträge und kümmere mich um das Content-Management des Corporate Blogs. Sie ist wiederum die Ansprechpartnerin vor Ort, besucht Meetings und hält Workshops. Wir tauschen uns regelmäßig per Telefon, Webkonferenz und Chat aus. Von dem Job-Sharing-Modell profitieren nicht nur wir. Wenn sie krank oder im Urlaub ist, springe ich nach Möglichkeit ein. Zwei Köpfe betrachten Dinge differenzierter als einer. Unseren Stärken entsprechend teilen wir die Aufgaben auf und erzielen dadurch noch bessere Ergebnisse. Falls eine der Job-Sharing-Partnerinnen das Unternehmen verlassen oder in Elternzeit gehen sollte, bleibt das Wissen im Unternehmen.

Ein Nachteil ist sicherlich, dass man mit den Kollegen und dem Chef nicht mehr den Büro-Alltag teilt. Infos bekomme ich aus zweiter Hand, bin nicht mehr selbst dabei. Alle zwei, drei Monate fliege ich auf eigene Kosten nach Köln. Der persönliche Austausch in regelmäßigen Abständen ist sehr wichtig.

Ansonsten ist mein Arbeitsalltag ziemlich „normal“. Ich arbeite an drei festen Tagen die Woche im Wechsel von Zuhause aus oder im Coworking-Büro. Meine Erkenntnis: Im Homeoffice bin ich produktiver denn je. Kein Telefon, Meeting oder Gespräch im Großraumbüro reißt mich raus.

Teneriffa als Outdoorsport-Oase mit bestem Klima

 Nach der Arbeit genieße ich das Inselleben in vollen Zügen. Jede freie Minute verbringe ich in der Natur – sei es beim Wandern, Klettern, Kitesurfen oder kleinen Roadtrips mit unserem VW Bus. Und das selbst im Januar! Denn das ganze Jahr herrschen auf der Insel warme Temperaturen. Weihnachten habe ich auf El Hierro, der Nachbar-Insel von Teneriffa und kleinste Insel der Kanaren verbracht. Silvester habe ich mit Freunden aus Köln auf Teneriffa gefeiert. Wir haben bei bestem Wetter auf der Dachterrasse gegrillt und anschließend in der Hauptstadt Santa Cruz gefeiert.

Endlich nehme ich mir die Zeit für Dinge, die ich schon immer machen wollte. Spanisch lernen und ehrenamtliches Engagement sind fest in meinem Alltag integriert. Außerdem habe ich den Blog AufderSonnenseite.de ins Leben gerufen, in dem ich über das Leben und Arbeiten auf Teneriffa berichte. Neben hilfreichen Infos zum Auswandern möchte ich darin andere Menschen inspirieren und motivieren, ihre eigenen Träume zu realisieren. 

Durch den Umzug nach Teneriffa hat sich vieles geändert in meinem Leben. Es ist nicht mehr mein Job, der meinen Alltag vereinnahmt, sondern es sind andere, sehr bereichernde Dinge hinzugekommen. Das macht mich unheimlich glücklich. Für diese Freiheit und die Möglichkeit, auf Teneriffa leben und arbeiten zu können, bin ich sehr dankbar. Mir diesen Traum erfüllt zu haben, war jede Anstrengung wert.  

Hier geht's zu Evas Blog: AufderSonnenseite.de

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Beitrag von Nicole Thurn

ist Herausgeberin von Newworkstories.com, New-Work-Enthusiastin und langjährige Journalistin mit einem kritischen Blick auf die neue Arbeitswelt.

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