Der eine hatte Bier, der andere Kondome: Ottakringer-Vorstand Matthias Ortner snapchattete sich eine Woche lang im Einhorn-Kostüm durch Berlin, Philip Siefer schmiss ein Ideen-Grillfest mit den Mitarbeitern. Fazit: Da geht was.

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steht auf dem ausgedruckten DinA4-Papier. Daneben ein augenscheinlicher Salafist im Einhorn-Plüsch. "Das Team hat geglaubt, das wird meine härteste Challenge", lacht Matthias Ortner, CEO der Wiener Ottakringer Brauerei. "Aber ich bin seit 25 Jahren im Verkauf, das Kondom-Verteilen war ein Spaß." Das Team nennt Ortner seine Belegschaft, die er eine Woche lang führte, und lernte dabei: "'Mitarbeiter' sagt man dort nicht".
Mit Fake-Hipsterbart und Einhorn-Kostüm geht es auf die Straßen Berlins zum Einsatz. Was man halt so als CEO des Kondom-Start-ups einhorn macht. Oder in Meetings. Oder zum "20Slidesinje20Sekunden"-Pitch auf einem Kulturevent. Immer mit dabei: das Smartphone mit Snapchat-App ("das hat mir mein Sohn gezeigt"). Denn auch die sorgfältige Dokumentation per 24-Stunden-Video gehört zum Tagesablauf eines einhorn-CEOs. Ortner hat mit Philip Siefer den Chefsessel getauscht: das Büro samt Hopfenboden in Wien 16 gegen Start-up-Feeling in einem etwas schmuddeligen Hinterhof in Berlin-Kreuzberg. Malzgeruch in der Luft gegen Kondom-Aufblasen in der Mittagspause. Abteilung gegen Jederbringtsichein. 176 Mitarbeiter gegen 17 "einhörner". Rund 90 Million Umsatz gegen 1 Million.
Man hat den Eindruck, der Vorstand hatte sichtlich Spaß. Nur darum alleine geht es nicht, und auch nicht um einen PR-Gag: "Unsere Zielgruppe wird jünger, auch unsere Kooperationspartner sind inzwischen Start-ups. Ich wollte sie besser verstehen. Und natürlich den Blick von außen auf unser Unternehmen", sagt Matthias Ortner. Den hat Ottakringer bekommen.








© Ottakringer/einhorn.my
Mittwoch, 14 Uhr.
Philip Siefer kommt 20 Minuten zu spät und sichtlich beschwingt vom Meeting mit Aufsichtsrätin Christiane Wenckheim. CEO-like ruft er Personalchefin Martina Mader zu: "Wir brauchen dringend drei Grafiker." Denn: "Hier gibt es so viele kreative Menschen, aber kaum jemanden, der visualisiert. Doch das ist das Wichtigste für eine Marke." Statt an Agenturen auszulagern, will er eigenes Personal, um kreative Prozesse rascher umzusetzen. Zuvor habe ich instagram-Videos von ihm gesehen: Siefer vor der Kaffeemaschine mit koffeinsüchtigem Blick, Siefer ruft von der ungenutzten Dachterrasse des Brauereihauses: "hier könnte man soviel machen", Siefer freudig beim Biertest. Der Mann sollte Youtuber werden.
Ah, ist er ja quasi schon, denn auf Youtube gibt es einige schräge einhorn-Erklärvideos. Man könnte ihn schon beneiden, denn der Job eines Ottakringer-Vorstands schaut wohl sonst eher nicht so aus. Zum Bespaßen ist er aber nicht hier: "Morgen gibt es eine Grillfeier für die Mitarbeiter, wo wir alle einladen, ihre Ideen für ein neues Marketingkonzept einzubringen", erzählt er. Am Ende kommen rund 70 Menschen, Mitarbeiter inklusive Anhang. An einem Feiertag immerhin eine beachtliche Leistung.
Siefer (Credo: I love it! Let's do it! Now!) und sein Co-Gründer Waldemar Zeiler (Credo: Don't fuck with nature) blasen nicht nur auf den Kongress-Bühnen dieser Welt ihre nachhaltig, fair und vegan produzierten Kondome mit dem Nasenloch auf, sondern riefen einst auch zum CEO-Tausch auf, den Ottakringer-Aufsichtsrätin Christiane Wenckheim auf einer Konferenz in Zürich erhörte.
Der Mann schafft es zu begeistern. Er kommt, macht und reißt alle mit. Das ist er von seinem Team gewöhnt. Großes Grübeln ist nicht angesagt. Das scheint in Berlin die Regel zu sein, hier wollen alle machen. Am besten etwas Neues, schnell, unbürokratisch. Matthias Ortner gerät von den "einhörnern" ins Schwärmen: "Ich war bei einem Meeting dabei. einhorn gibt ein Magazin raus. Jemand schlug vor, aus den bisher 48 Seiten 72 zu machen. Alle waren dafür, jeder wollte einen Artikel schreiben, vom Logistiker bis zum Grafiker." Diesen Enthusiasmus und Tatendrang will er im Konzern auch: "Vor allem habe ich mir vorgenommen, dass wir abteilungsübergreifend an Projekten arbeiten."
Auch ergibt sich schon unternehmerisch Einhorniges für den Getränkekonzern. Ottakringer Bier wird noch während der Tauschwoche bei Amazon Prime now in Berlin gelistet, da Siefer gute Kontakte hat: "Das dauert sonst Monate", schwärmt Ortner.
Bei einhorn Berlin würde er dennoch manches anders machen. Alle verdienen ähnlich gut, bei Bedarf - größere Wohnung, Kind, plötzliche Geldgier - kann man selbst über seine Gehaltserhöhung bzw. über eine Arbeitszeitreduktion bei gleichem Gehalt bestimmen, einzige Regel: das Team muss einverstanden sein. "Wir diskutieren schon immer wieder, so einfach ist das nicht", gibt Siefer zu. Ortner meint, das könnte bei Wachstum noch zu Schwierigkeiten führen: "Ich habe ihnen eine Mitarbeiterbeteiligung vorgeschlagen", um die erfahreneren Mitarbeiter weiter zu motivieren. Je länger man im Unternehmen ist, desto mehr Anteile kann man kaufen." Bei Ottakringer sei die Einführung von einem selbstbestimmten Gehalt oder Arbeitszeit "undenkbar".
Nach der Woche.
Philip Siefer ist wieder nach Kreuzberg zurückgekehrt. Er widmet sich Snapchat, spinnt Ideen, treibt Projekte voran. Was er von Matthias Ortners Ideen umsetzen will? "Alles", schreibt er mir per Mail. einhorn will den Vertrieb weiter ausbauen, etwa in lässigen Design Hotels in Deutschland vertreten sein, mit Kondom zum Duschgel. Matthias Ortner träumt in Wien-Ottakring von abteilungsübergreifenden Projekten. Und von ein bisschen mehr einhorn im Konzern. Beim Träumen soll es nicht bleiben: "Das wird demnächst umgesetzt."
CEO-Snapchat zum Download:
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