Den linearen Lebenslauf? Die perfekte Karriere? Gibt es so gut wie nicht. Seien wir doch stolz auf unsere bunten, zerpflückten, schrägen Auf-und-Abs-Lebensläufe. Und wenn es für dich Zeit ist, etwas Neues zu tun: Mach es einfach. Wie, erfährst du hier.
Wenn ich zurückblicke auf meine Zeit als Karriere-Journalistin, dann muss ich zugeben: Ich habe ganz schön oft die Wahrheit verzerrt. Nicht absichtlich natürlich, sondern mit bestem Wissen und Gewissen. Ich habe Woche für Woche über "den Karriere-Aufstieg" geschrieben, darüber, wie man am besten Führungspositionen erreicht und was man am besten dafür tut, um die nächste Sprosse auf "der Karriere-Leiter" zu erklimmen.
Ganz ehrlich? Das meiste davon ist Bullshit und bildet nicht das echte Leben ab. Das meiste davon habe ich auch nie als sonderlich erstrebenswert empfunden. Karriere allein wegen des Status willen fand ich im besten Falle langweilig und im schlimmeren Falle verdächtig. Natürlich gibt es sie, die Karrieristen, die lehrbuchartig nach oben schießen. Aber sie waren immer schon selten und werden nun noch rarer. Denn die Hierarchien werden so langsam aber sicher abgebaut (wenn auch natürlich viele Unternehmen noch pyramidenartig top-down geführt werden), und immer mehr Menschen fragen sich, was sie mit ihrer Arbeitszeit (die ja auch Lebenszeit ist, nicht vergessen!) anfangen sollen. Ich kenne hauptsächlich Menschen, deren Lebenslauf mehr einer Achterbahnfahrt gleicht: nur dass zu den Aufs und Abs auch noch Notbremsen, Rauskatapultierungen in scharfen Kurven und gemächliche Spazierfahrten gehören.
"So manche Recruiter sollten weniger den Lebenslauf und mehr den Menschen und das, was ihn antreibt, sehen. Sonst übersehen sie das Potenzial ihrer Bewerber -
und stellen womöglich Menschen mit den richtigen Lebensläufen, aber der falschen Einstellung ein."
Kein Weg gleicht dem anderen
Ich kenne Frauen, die eine Führungsposition innehatten und seit ihrem ersten Kind auf einen verantwortungslosen Teilzeitjob "degradiert" wurden (nicht immer ist Downsizen schlimm). Ich kenne einen ehemaligen Marketingleiter, der sich nach einigen statusorientierten Jahren selbstständig gemacht hatund nie mehr das Gehalt von damals erreicht, dafür aber glücklich ist. Ich kenne eine Berufseinsteigerin, die ihren ersten fordernden Karrierejob hingeschmissen hat, um sich selbst zu finden. Eine Start-up-Gründerin, die sich in der Bildungskarenz neu orientiert und die Hälfte ihres Habs und Guts verschenkt hat. Eine Konzernmitarbeiterin, die überlegt, in ein kleines Familienunternehmen zu wechseln und dafür liebend gern auf ein Drittel ihres Gehalts verzichtet.
Ich selbst bin studierte Pädagogin, die während ihres Studiums immer davon geträumt hat, Journalistin zu werden und die es durch viel Glück und etwas Frechheit auch wurde. Ich kenne so viele, die einfach mal etwas anderes machen wollen und vor HR-Leuten im Bewerbungsgespräch sitzen, die immer nur mehr vom selben wollen. Von Karriereberatern wird oft empfohlen, Lücken oder Abbiegungen im Lebenslauf nicht zu nennen. Warum denn nicht? Was ist daran so verkehrt, wenn man seine Zeit zur Neuorientierung nutzt oder dafür, seinen kranken Vater zu pflegen?
Ich denke, so manche Recruiter sollten da umdenken: weniger den Lebenslauf und mehr den Menschen und das, was ihn antreibt, sehen. Sonst übersehen sie rasch das Potenzial ihrer Bewerber - und stellen Menschen mit den richtigen Lebensläufen, aber der falschen Einstellung ein.
Wir sind die Summe unserer Erfahrungen und noch viel mehr.
Hätte ich auf den Mainstream gehört, hätte ich damals vor 13 Jahren mein Pädagogik-Studium abgebrochen und an einer FH Journalismus studiert. Dann hätte ich mich für ein Redaktionspraktikum beworben, dann fürs nächste. Und spätestens nach dem dritten hätte ich umsonst auf eine Anstellung gehofft, da es noch 230 weitere Journalismus-Studierende gab, die auf dasselbe hofften. Und die dann irgendwann rausfanden, dass der Medienverlag gerade Stellen abbaut.
Stattdessen habe ich mein Studium beendet - mich auf Arbeitsmarkt und Weiterbildung spezialisiert, um meinen Abschluss zu haben, (ja, der Magister war mal wichtig) habe nebenbei gratis für Online-Magazine geschrieben und nach meinem ersten kurzen Job als wissenschaftliche Mitarbeiterin einfach dem Chefredakteur einer Tageszeitung gemailt, dass ich bitteschön ein Praktikum in seiner Redaktion machen wolle. Er verwies mich zwei Minuten später in seiner Antwortmail an die Online-Chefredakteurin - wegen der Onlinemagazine, die ich erwähnt hatte. Und die meinte, sie hätte zwar kein Praktikum, aber eventuell einen Job. Nach dem Gespräch bekam ich die Stelle als Content Managerin - nicht weil ich sie mit meinem braven linearen Werdegang beeindruckt hatte, sondern mit meinem Enthusiasmus und meinen Texten - und weil wir uns sympathisch waren. Drei Jahre später wechselte ich in die Karriere-Redaktion - was super zu meinem Studium und meinen Interessen passte.
Jeder Weg ist anders. Oft sind es die Umwege, die uns dann doch auf die richtige Straße führen. Daher kann ich nur raten, nicht blind auf Karriere-Ratgeber oder Weiterbildungsinstitute zu hören. Sondern in erster Linie auf sich selbst. Achte darauf, wohin es dich zieht. Kontaktiere Leute, die schon in dem Bereich arbeiten und geh mit ihnen auf einen Kaffee oder ein Bier. Lies Bücher, besuche Veranstaltungen zu Themen, die dich interessieren. Vernetze dich mit Menschen und lass sie wissen, was dich interessiert. Tausch dich über Twitter, Facebook, Instagram mit ihnen zu deinen Themen aus.
Ich hoffe, dass das Personalisten und HR-Manager auch zunehmend schätzen, wenn sie Menschen mit vielfältigen Erfahrungen vor sich haben, die etwas Neues in einem Unternehmen ausprobieren wollen, mit dem sie sich identifizieren. Das ist viel wichtiger als ein braver, linearer Lebenslauf. Das Probemonat sollte man übrigens auch wirklich als solches sehen: als Testzeit, ob man wertemäßig und persönlich zusammenpasst. Die fehlenden hard Skills lassen sich immer noch in Kursen erwerben.
Das Leben ist bunt und es passiert so vieles. Jede Erfahrung, die du machst, ist wertvoll und bringt dich weiter. Am wertvollsten ist sie, wenn sie für dich stimmig ist - also mit deinen Bedürfnissen und deinen Interessen übereinstimmt. Irgendwann fügen sich die unterschiedlichen Jobs und Ausbildungen zu einem Potpourri zusammen wie ein Puzzle. Oder: Du folgst gleich deiner Intuition und deinen Interessen und kreierst ganz bewusst daraus deinen eigenen neuen Job.
Wie du das am besten machst, erfährst du übrigens in meinem Workshop "Create your Job" am 21. April in Wien.
Infos zum Workshop in der kleinen, feinen Gruppe mit Gleichgesinnten und mir findest du hier: Workshop Create your Job. Die genaue Location wird noch bekannt gegeben. Ich freu mich, wenn wir uns dort sehen!
Tags: Arbeitswelt